Presseartikel
Hier finden Sie Presseartikel und Kommentare aus der Presse.
F.A.Z., 19.10.2023, Rhein-Main (Rhein-Main-Zeitung)
Merkurist: Wiesbadener gehen vor Gericht
"Flüchtlinge im Marmorpalast"
https://www.architekt-giel.de/verwaltungs-bauten/didier-wiesbaden/index.html
CDU Wiesbaden: Linksbündnis verweigert Aussprache über Bürger-Ärgernis:
Anwohner der Lessingstraße erneut verhöhnt
https://www.facebook.com/100068835415562/posts/626161216355053/
Anwohner protestieren vor Rathaus gegen Flüchtlingsunterkunft in der Lessingstraße
F.A.Z., 23.09.2023, Rhein-Main (Rhein-Main-Zeitung), Seite 9
"Grobe Fehler in der Planung"
Runter vom hohen Ross
Von Robert Maus
Die Stadt Wiesbaden und auch die Stadtentwicklungsgesellschaft SEG agieren bei der neuen Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Südost ungeschickt. Auch wenn es gesetzlich erlaubt ist, das denkmalgeschützte Ensemble ohne Baugenehmigung umzubauen, so ist es doch die Pflicht der Stadt, die unmittelbar betroffenen Nachbarn ausführlich und frühzeitig zu informieren. Das ist offenkundig nicht geschehen, und es gibt weitere Ungereimtheiten.
Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation ist kaum damit zu rechnen, dass in naher Zukunft weniger Asylbewerber in Wiesbaden ankommen. Warum aber plant die Stadt trotzdem, die große Unterkunft an der Hans-Bredow-Straße zu schließen? Liegt es wirklich nur an den zu erwartenden Kosten, deren Höhe der SEG-Geschäftsführer Roland Stöcklin den Anwohnern auch auf Nachfrage nicht mitteilen konnte, oder gibt es andere Gründe?
Zahlreiche Teilnehmer der Infoveranstaltung am Dienstag mutmaßten, dass die Stadt bestimmte Sachverhalte im Zusammenhang mit der neuen Flüchtlingsunterkunft verschweige. Das ist starker Tobak, aber wenn selbst die städtische Bauaufsicht offenbar nichts von den Arbeiten wusste und die Baustelle vorübergehend stilllegte, ist das Misstrauen der Bürger zumindest erklärbar. In der Summe kann man die städtische Kommunikation auch intern nur als misslungen bezeichnen.
Die Bedenken der Anwohner beschränkten sich natürlich nicht auf den Denkmalschutz des Gebäudeensembles. Viele fürchten einen Werteverfall ihrer Häuser, einige Frauen äußerten, sie fürchteten um ihre Sicherheit, und wieder andere mahnten, dass die Lebensqualität im Quartier abzunehmen drohe. Unabhängig davon, ob solche Bedenken gerechtfertigt sind oder nicht, darf die Stadt sich nicht einfach darüber hinwegsetzen. Den Anwohnern, die ihr Misstrauen während der Veranstaltung äußerten, dann auch noch vorzuwerfen, sie hingen Verschwörungstheorien an, ist geradezu kontraproduktiv.
Wer auf einem solch hohen Ross sitzt, braucht sich nicht darüber beschweren, dass die Menschen zunehmend politikverdrossen sind. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, warum die Stadt stärker um die Kooperation ihrer Bürger werben sollte. Es wird in Wiesbaden wohl weitere Unterkünfte für Asylbewerber geben müssen. Daher erscheint es sinnvoll, künftige Nachbarn von Flüchtlingsheimen frühzeitig ins Boot zu holen, bevor diese ebenfalls auf die Barrikaden gehen.
F.A.Z., 21.09.2023, Rhein-Main (Rhein-Main-Zeitung), Seite 2
WIESBADEN Die Stadt plant in einem Villenviertel eine Flüchtlingsunterkunft, die Anwohner protestieren. Streit gibt es, weil die Arbeiten ohne Erlaubnis der Denkmalschützer und ohne Baugenehmigung begonnen haben.
Im Wiesbadener Villenviertel Südost liegen die Nerven blank. Die Anwohner der neuen Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Didier-Gebäude an der Lessingstraße fühlen sich von der Stadtverwaltung nicht informiert und zum Teil sogar hintergangen. Die Stadtentwicklungsgesellschaft SEG baut das denkmalgeschützte Gebäude derzeit für bis zu 350 Flüchtlinge um. Einen Bauantrag hat die SEG nicht gestellt, weswegen die Bauarbeiten zeitweise zum Erliegen kamen. Den Denkmalschutz, so gab SEG-Geschäftsführer Roland Stöcklin am Dienstagabend während einer Informationsveranstaltung zu, habe man "verpennt". Einige Anwohner haben Kontakt mit Anwälten aufgekommen. Sie wollen die Unterkunft noch verhindern.
Nach derzeitigem Kenntnisstand hat die SEG das Gebäude im Auftrag der Stadt gekauft und will es für 3,5 Millionen Euro umbauen. Offiziell gibt es zum Kaufpreis keine Angaben, aber der in Rede stehenden Summe von 15 Millionen Euro wurde nicht widersprochen. Die Stadt hat das Gebäude von der SEG für den Mindestzeitraum von sieben Jahren gemietet, und es gibt die Option, den Mietvertrag drei Mal um jeweils ein Jahr zu verlängern. Im November sollen die ersten Flüchtlinge aus der in der Nähe liegenden Flüchtlingsunterkunft an der Hans-Bredow-Straße einziehen.
Laut Stöcklin läuft die Baugenehmigung für die Unterkunft an der Hans-Bredow-Straße als Sonderbau zur Unterbringung von bis zu 650 Menschen aus. Der Aufwand, diese Genehmigung neu zu erwirken, würde "exorbitante Kosten" mit sich bringen. Die Helene-Lange-Schule ist sanierungsbedürftig, und das Schulamt habe daher ein großes Interesse an dem Grundstück Hans-Bredow-Straße. Wenn das Hochhaus abgerissen würde, könnten dort Container für die Zeit der Schulsanierung aufgestellt werden, sagte der SEG-Geschäftsführer.
Nachdem es in den vergangenen Wochen im Stadtteil Südost wegen der neuen Flüchtlingsunterkunft zu einiger Unruhe gekommen war, hatte die Stadtverwaltung die Anwohner zu einer Informationsveranstaltung in den Innenhof des Gebäudeensembles eingeladen. Etwa 100 Nachbarn waren gekommen und machten ihrem Unmut Luft. Sozialdezernentin Patricia Becher (SPD) bestätigte, dass das Gebäude von der SEG gekauft wurde und dessen vorübergehende Nutzung als Flüchtlingsunterkunft schon Ende vergangenen Jahres in der Presse öffentlich bekannt war. Damit bezog sich die Dezernentin auf eine Berichterstattung vom 14. Dezember 2022 in der F.A.Z.
"Wir sind als Kommune dazu verpflichtet, die geflüchteten Menschen, die uns aus der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen zugewiesen werden, unterzubringen", warb Becher um Verständnis für das Vorgehen der Stadtverwaltung. Die Reaktionen auf ihre Aussage, dass es ihr ein wichtiges Anliegen gewesen sei, die Anwohner einzubinden, reichten von ungläubigem Kopfschütteln bis zu höhnischem Lachen. Laut Becher sollen die Flüchtlinge von November an sukzessive in das dann fertig umgebaute Gebäude einziehen. Es gebe rund 350 Plätze, aber die Unterkunft werde nur zu etwa 80 Prozent belegt. Dabei handele es sich um Familien aus den unterschiedlichsten Nationen.
In Wiesbaden gibt es laut Ariane Würzberger derzeit 73 Flüchtlingsunterkünfte. Die Leiterin des Sozialleistungs- und Jobcenters musste ihre Ausführungen aufgrund von Zwischenrufen erregter Anwohner immer wieder unterbrechen. Die Wiesbadener Linie sei, möglichst viele und kleine Unterkünfte über das Stadtgebiet zu verteilen, um nicht einen Stadtteil besonders zu strapazieren, führte sie weiter aus und sagte dann: "Und jetzt trifft es halt auch Südost mit einer größeren Unterkunft." Die Anwohner wiesen darauf hin, dass es in der benachbarten Viktoriastraße schon eine Unterkunft mit 50 Migranten gebe und die große Unterkunft an der Hans-Bredow-Straße nur etwa einen Kilometer entfernt sei. "Wir müssen pro Woche 50 geflüchtete Menschen und die Menschen aus der Ukraine aufnehmen", rechtfertigte sich Würzberger.
Zur massiv kritisierten städtischen Informationspolitik sagte Würzberger: "Wir können nicht im Vorfeld mit Bürgern darüber diskutieren, ob wir eine Unterkunft in Betrieb nehmen oder nicht." Eine Diskussion mit den Anwohnern über die Standortwahl lehnte sie ab. "Das ist eine Informationsveranstaltung", stellte sie klar, und eine Anwohnerin rief ihr zu: "Wir werden uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren gegen den Umgang, den Sie hier mit uns pflegen. Das ist wirklich unter aller Sau!" Es habe seinen Grund, dass die Bürger so spät informiert worden seien, ergänzte Stöcklin und fügte an: "Das hat nichts damit zu tun, dass die Sozialdezernentin Bürgerinteressen mit Füßen tritt. Das sind Verschwörungstheorien, die können Sie gerne haben." "Jeder Vollidiot traut sich zu, ein leer stehendes Gebäude in Brand zu stecken", nannte der SEG-Geschäftsführer als Grund, dass die Anwohner spät informiert worden seien.
Stöcklin wies die Vorwürfe, die SEG habe versucht, das Gebäude ohne regulären Bauantrag als Flüchtlingsunterkunft umzubauen und damit den Denkmalschutz zu umgehen, zurück. Nach seiner Auskunft habe der Gesetzgeber mit Blick auf die Flüchtlingskrise die Möglichkeit geschaffen, dass die Bauaufsicht erlauben könne, dass ein Bauantrag erst sechs Monate nach Beginn der Arbeiten gestellt werden müsse. Dabei habe die SEG allerdings nicht bedacht, dass der Denkmalschutz außen vor blieb, weil dieser im Rahmen eines Bauantrages geprüft werde. Bis zum Sommer nächsten Jahres soll jetzt die Baugenehmigung vorliegen.
Das ließen die Anwohner so nicht gelten und ein Wiesbadener Jurist warf Stöcklin vor, eine falsche Aussage zu treffen. Die SEG sei kein Träger öffentlicher Belange und habe daher nicht die Privilegierung, ohne Baugenehmigung bauen zu dürfen. Daran könnte die spätere Genehmigung scheitern, sagte er und ergänzte: "Wenn ein Bürger in Wiesbaden ohne Baugenehmigung baut und den Denkmalschutz nicht beachtet: Sie wissen, was dann los ist. Sie aber tun so, als könnten Sie machen, was sie wollen." robm.
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