Informationen - Hintergründe
ehem. Didier Hauptverwaltung in der Lessingstraße 16-18
Der Sportmoderator Dieter Kürten und sein Bruder Jörg, welcher lange Jahre in der Didier Hauptverwaltung gearbeitet hat, sind entsetzt über die mangelnde Einbeziehung der Anwohner, bei den Planungen und das unsensible Vorgehen der Wiesbadener Sozialverwaltung und der SEG.
Vergleich Lage Hans-Bredow - Lessingstraße
Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer der BI „Nachhaltige Entwicklung für die City-Ost“,
Letzte Woche hat uns die leider abschlägige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zum Eilantrag der ersten Gruppe erreicht. Das Gericht hat sich die Argumente der Stadt nahezu unverändert zu eigen gemacht. So soll die Tatsache, dass auf der linken Seite der Lessingstraße ein anderer Bebauungsplan als auf der rechten Seite der Lessingstraße gilt, dazu führen, dass kein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in der Lessingstraße mit ungeraden Hausnummern besteht, auch wenn die Häuser genau gegenüber dem Eingang der Lessingstraße 16 liegen. Was doch 10 Meter für einen Unterschied machen können!
Des Weiteren wurde vom Gericht festgestellt, dass fehlende Baugenehmigungen oder denkmalschutzrechtliche Belange Sache der Verwaltung sind und nicht vom Bürger beanstandet werden können.
Es wurde dann in der Begründung weiter festgestellt: „Eine Flüchtlingsunterkunft mit knapp 350 Plätzen wirkt bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht generell störend in einem allgemeinen Wohngebiet“. Und weiter: „Die Unterhaltungen zwischen Personen, soweit sie außerhalb der Gebäude der Flüchtlingsunterkunft erfolgen, finden auch ansonsten in allgemeinen Wohngebieten statt, beispielsweise vor Mehrfamilienhäusern mit vielen Wohneinheiten“.
Eine Störung der Anwohner der Lessingstraße 16-18 ist nicht zu befürchten: „ Viel lebensnaher ist es davon auszugehen, dass sie (die Bewohner, Anm. RB) sich auch teilweise im geschützten Umfeld des Innenhofes aufhalten werden, der allerdings nicht als Aufenthaltsfläche vorgesehen ist (in der Tat, hier sind in den Plänen Parkplätze und Abstellflächen für die Müllcontainer vorgesehen, Anm. RB) . Viel naheliegender ist es jedoch anzunehmen, dass sich die Bewohner auf den nahegelegenen und fußläufig erreichbaren Grünflächen aufhalten werden. In diesem Fall sind Belästigungen für die Antragsteller kaum zu erwarten“.
Bei so viel Lebensnähe der Justiz bleiben dann ja keine Fragen offen. Wenn jemand mal aus dem Haus will, bleibt zwischen den Müllcontainern und den geparkten Autos hinreichend Platz, ansonsten kann man sich auf den Weg zur Wiese auf den Reisinger Anlagen machen und sich dort hinstellen.
Bei dieser Begründung der Ablehnung des ersten Eilantrages kann jeder die Chancen hinsichtlich des zweiten Eilantrages einschätzen. Die Mitglieder der BI, welche die Eilanträge betrieben haben, werden in den nächsten Tagen, wenn auch die Entscheidung über den zweiten Eilantrag vorliegt, hinsichtlich der Beschwerde gegen den Beschluss des VG Wiesbaden beim Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel entscheiden.
Sie finden dies alles etwas bemüht und weit hergeholt? Dann kann der Blick in das Schreiben der von der SEG als Beigeladene beauftragten Anwälte an das Verwaltungsgericht Wiesbaden weiterhelfen. Unter der Überschrift „Integrationslast“ wird hier ausgeführt:
"Eine vergleichende Studie sechs deutscher Wohngebiete“ aus dem Jahr 2019 (führt) aus, dass die Akzeptanz von Flüchtlingsunterkünften in
„statushohen“ Wohngebieten gerade größer ist als in „statusniedrigeren“ Wohngebieten. Sie kommen unter anderem
zu folgendem Ergebnis:
„Mit steigender Schulbildung, in etwas geringerem Maße mit steigendem Einkommen, nehmen die Vorurteile ab.
Die Gründe hierfür sind eine geringere wirtschaftliche und soziale Konkurrenz sowie vermutlich ein breiteres
Wissen über die Minorität. […] Daher sind Gebiete mit einem niedrigen kulturellen Kapital, einem hohen Anteil mit
Personen mit niedrigem Einkommen und einer niedrigen kollektiven Effektivität wenig geeignet.“ https://www.arl-net.de/system/files/media-shop/pdf/rur/77-2019-4/04_friedrichs_le%C3%9Fke_schwarzenberg.pdf Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Landeshauptstadt Wiesbaden, eine Flüchtlingsunterkunft gerade in einem „statushohen“ Wohngebiet einzurichten, jedenfalls vom Grundsatz her aus stadtsoziologischer Sicht richtig und einer Flüchtlingsunterkunft in einem „statusniedrigeren“ Wohngebiet vorzuziehen.
J. Krumb
Rechtsanwalt"
Es geht dem Linksbündnis in unserer Stadtverwaltung, wie auch eine Rednerin der SPD im Rahmen der Diskussion unserer Causa in der Stadtverordnetenversammlung klar gemacht hat, um genau diesen Punkt. Natürlich ist jedem in der SEG und in der Verwaltung klar, dass die Lessingstraße als Einzelkulturdenkmal, aufgrund der Lage und der Kosten sowie des Gebäudeschnitts als Flüchtlingswohnheim denkbar ungeeignet ist, zumal es, wie wir lernen durften, hinreichend alternative Gebäude gibt. Dem Linksbündnis geht es nicht um eine gute Lösung der Unterbringungsproblematik, sondern um Ideologie. Nun also endlich ein Flüchtlingswohnheim inmitten eines „statushohen Wohngebietes“. Den starken Schultern dort kann dann die Integrationslast für 400 Personen bedenkenlos aufgeladen werden, auch wenn die zuständigen Schulen schon jetzt völlig überlastet sind.
Apropos Kosten: Der m² in der Lessingstraße wird dem Sozialdezernat schlappe € 24,44 Kaltmiete kosten. Sie finden das viel? Dann aufgepasst: Der Mietvertrag hat eine Inflationsanpassungsklausel. Unter der Annahme einer moderaten Preissteigerung von 3% in den nächsten Jahren wird die Kaltmiete im letzten Jahr der fest vereinbarten Laufzeit dann € 28,84 betragen. Wer bezahlt? Wir, die Steuerzahler. Wer jetzt denkt, ist ja nicht so schlimm, dann macht wenigstens die SEG als 100% Tochter der Stadt Wiesbaden ein schönes Geschäft, weit gefehlt. Auch dort wird nach unseren zwischenzeitlich zusammengesammelten Informationen nach dem Rückbau der flüchtlingsspezifischen Umbauten absehbar ein Verlust verbleiben.
Sollte Ihnen als Steuerzahler nun der Blutdruck ein wenig angestiegen sein: Es kommt noch besser. Die für unseren Bereich zuständige Helene-Lange-Schule leidet schon seit vielen Jahren unter maroden Gebäuden inklusive Asbestbelastungen. Der geplante Neubau / Sanierung „pausiert“ nun. Hier scheint man nun doch keine Ressourcen mehr zu haben, obwohl die GU+ Lessingstraße absehbar rund 70 weitere Kinder in dieser Schule bedeuten würde.
Nun, was hat sich in der Sache an sich weiter getan?
wie in meiner letzten Rundmail angekündigt hat am letzten Mittwoch, dem 8. November ein Gespräch mit der Leiterin des Dezernats VI, Frau Dr. Becher, stattgefunden.
Zusammenfassung Ergebnis:
Das Sozialdezernat ist bereit, die Belegung auf 200 Personen zu begrenzen
Im Hinterhaus (Haus C) sollen auch Angebote der Jugendhilfe / Wohngruppen untergebracht werden (in der Zahl von 200 enthalten). Um welchen Typus Wohngruppe es sich handeln soll ist noch zu besprechen.
Die restlichen Plätze bis 200 sollen primär mit Familien aufgefüllt werden
Im Vorderhaus (Haus A) sollen die freien Räume für soziale Angebote (i.W. für die Bewohner, aber zum Teil auch darüber hinaus) genutzt werden: Für Senioren, Sprachkurse, Lese- / Schreibservice, Elternbildung
Mit viel Phantasie könnte es auch noch zur Einrichtung einer Kita (mit Nutzung für Bewohner und Kinder aus dem Viertel) kommen, ein entsprechendes Angebot gibt es wohl in Kastel Housing
Vorbehalt: Eine Verlängerung der Hans-Bredow ist Voraussetzung. Wann eine entsprechende Entscheidung kommt und wie diese aussieht kann von Frau Dr. Becher nicht abgeschätzt werden.
Belegung: Kein Beginn der Belegung vor Mitte Dezember. Vornehmlich soll mit der Belegung mit Familien begonnen werden.
Die Zusammensetzung der Belegung kann vom Sozialdezernat gesteuert werden. Es sollen im Wesentlichen Familien ggfs. mit Großeltern etc. untergebracht werden.
Eine vertragliche Absicherung eines solchen Zustandes kann sich die Dezernatsleitung derzeit nicht vorstellen.
Wir sind gerade dabei, dieses Angebot zu evaluieren. Hierzu würden wir uns über Ihre Rückmeldung und Gedanken sehr freuen, um hier zu einer ausgewogenen Antwort zu kommen.
Robert Binder
Liebe Freunde und Unterstützer der Bürgerinitiative!
Sitzung des Bauauschusses am 17.10.2023
Hier war unser Thema sehr zentral auf der Agenda, leider verlief die Diskussion dann aber sehr enttäuschend. Im Wesentlichen haben sich die jeweiligen Fraktionssprecher gegenseitig ihre Anträge zum Thema vorgelesen und der BI wurde nach diesem Schauspiel noch die Gelegenheit gegeben, ein Statement abzugeben. Ergiebiger waren dann die Gespräche nach der Sitzung, welche weitere Kontakte erschlossen haben.
Ortsbeiratssitzung City Ost vom 18.10.2023
In dieser Sitzung war die GU Lessingstraße nicht auf der Agenda, die BI war dennoch recht zahlreich vertreten und hat die übliche Bürgerfragestunde genutzt. Leider sah sich der Ortsbeirat trotz der nur wenige Tage vorher stattgefundenen a.O. Sitzung zum Thema GU Lessingstraße auf Rückfrage nicht in der Lage, eine eigene Einschätzung zu diesem Projekt abzugeben. Insbesondere die Mitglieder der regierenden „Linkskooperation“ versuchten, jegliche Diskussion abzuwürgen. Allein die Ortsbeirätin Nicole Röck-Knüttel hat klar Stellung bezogen, dass es sich der Ortsbeirat als Gremium hier nicht so leicht machen kann und sich auch als Vertreter aller Bürger in Wiesbaden Südost sehen muss. Ein Mail des BI Mitgliedes Andreas Huellen an die Ortsbeiräte habe ich beigefügt, um hier einen Eindruck zu geben.
Termin mit OB Klaus-Uwe Mende am 19.10.2023
Neben Mitgliedern der BI waren noch Frau Würzberger (Sozialdezernat) und der Assistent von OB Mende beim Termin zugegen. Der erste Eilantrag von Anwohnern um die Lessingstraße 16 lag zwischenzeitlich vor, was zu einer etwas kühlen Stimmungslage bei den Vertretern der Verwaltung führte. Herr Mende überraschte die Teilnehmer der BI gleich zu Beginn damit, dass er auf Nachfrage einräumte, die Situation in der Lessingstraße 16 gar nicht aus eigener Anschauung zu kennen (ist ja gut einen Kilometer von der Amtsstube entfernt!). Im Laufe des Gespräches hat Frau Würzberger Ihre Ausführungen in der a.o. Ortsbeiratssitzung nochmals bekräftigt, dass das Sozialdezernat sich eine Mischnutzung gut vorstellen könne. Wie zu erwarten, gab es keine Durchbrüche, aber die BI hat Ihre Standpunkte nun auch dem OB persönlich dargelegt und damit ein Stück Problembewusstsein geschaffen. Eine Einladung in die Martinstraße 17 zum Kaffee wurde zwar abschlägig beschieden, wir gehen aber davon aus, dass sich Herr Mende die Situation vor Ort anschauen wird.
Termin mit Andreas Kowol am 24.10.2023
Auf Grund seiner vielfältigen Funktionen erscheint uns Herr Kowol eine sehr zentrale Person für unser Thema. Seitens der Verwaltung war noch Herr Backes (Zuständig für das Projekt „Bodenbevorratung“ der Stadt) zugegen. Das Gespräch verlief sehr ermutigend und er hat Verständnis für die Positionen der BI geäußert. Herr Kowol stimmte zu, dass die SEG wie jeder andere auch einen Bauantrag stellen sollte, bevor gebaut wird. Hier hat er entsprechende interne Abstimmungen angekündigt. Das Team der BI konnte unsere Punkte darlegen, und hat den Eindruck gewonnen, dass hier womöglich ein Denkprozess angestoßen werden konnte.
Stellung zweiter Eilantrag am 25.10.2023
Der zweite Eilantrag nach § 123 VwGO wurde von einer zweiten Gruppe von Betroffenen, welche direkt an die Lessingstraße 16-18 angrenzend wohnen, gestellt. Der Schwerpunt in der Argumentation liegt bei diesem zweiten Antrag (welcher durch eine andere Rechtsanwaltskanzlei betreut wird als der erste), insbesondere bei der zu erwartenden Geräuschkulisse etc. Die Aufteilung in zwei Gruppen erwies sich nach erster Anschauung als richtig, da die am Vortag eingegangene Erwiderung des Rechtsamtes der Stadt sich bei der Verteidigung gegen den ersten Eilantrag im Wesentlichen auf Argumente stützte, dass die Kläger mit ihren Grundstücken zum Teil nicht im gleichen Bebauungsplan lägen, was bei den direkt angrenzenden Grundstücken des zweiten Antrages wohl kaum mehr als Argument dienen kann.
Treffen mit der FDP Stadtverordnetenfraktion am 30.10.2023
Hier wurde unserem Anliegen viel Verständnis entgegengebracht. Es wurde uns wieder klar, dass wir unsere Anstrengungen, Fakten zu sammeln und diese dann auch zu verbreiten, noch verstärken müssen. Die FDP Fraktion hat der BI in Aussicht gestellt, insbesondere im Hinblick auf die Evaluierung von Alternativen zur GU Lessingstraße auf die Verwaltung einzuwirken.
Robert Binder
Liebe Freunde des Didier Ensembles in der Lessingstraße,
Ich möchte kurz über die Ergebnisse aus der außerordentlichen Ortsbeiratssitzung vom 10.10. sowie der Sitzung des Sozialausschusses vom 11.10.2023 berichten. Die entsprechenden Presseartikel und die Tagesordnung der Sozialausschuss Sitzung mit den Anträgen habe ich als Anlagen beigefügt. Die Ortsbeirats Sitzung hatte nur die Lessingstraße 16 als TO Punkt.
A.o. Ortsbeirat
Seitens des Sozialdezernates nahmen Frau Dr. Becher sowie Frau Würzberger teil. Die SEG wurde durch Herrn Frank vertreten, daneben war noch Herr Golla von der WiBau (einer weiteren Stadteigenen Immobiliengesellschaft) zugegen, da sich wohl alle Führungskräfte der SEG auf der Wiesn und der ExpoReal in München mit Corona infiziert hatten.
Zu Beginn versuchte der Ortsbeiratsvorsitzende, Herr Scholz, zu erklären, weshalb er angeblich erst wenige Tage vor der „Informationsveranstaltung“ am 19.9. von der geplanten GU+ in der Lessingstraße erfahren haben wollte. Hier verwickelte er sich in weitere Widersprüche, das Kartenhaus viel dann endgültig zusammen, als Frau Dr. Becher anmerke, dass der Ortsbeiratsvorsitzende von ihr sowohl mündlich als auch schriftlich weit vorher informiert wurde. Nun ja.
Frau Würzberger hatte eine Präsentation vorbereitet, welche zwei Überraschungen bereithielt:
Die GU+ Bredow Straße soll zumindest für weitere 2-3 Jahre betrieben werden. Von größeren technischen Hindernissen, welche dem ja noch am 19.9. entgegengestanden haben sollen, war nun nicht mehr die Rede
Man wolle mit der BI in einen Bürgerdialog eintreten, um zu einer für beide Seiten tragbaren Kompromisslösung zu kommen
Dies waren auch die wesentlichen Erkenntnisse des Abends. Ein Vertreter der WiBau sagte entweder mit Verweis auf Vertraulichkeit oder Nichtwissen entweder nichts oder (nachweislich in zwei Fällen) die Unwahrheit. Der zweite Kollege von der Wibau überraschte mit der Nachricht, dass die Schüler der HeLa dann voraussichtlich ab 2027 für 15 (!) Jahre in Behelfsbauten auf dem Gelände Hans Bredow untergebracht werden sollten. Dieser Punkt sorgte für einiges Aufsehen, konnte dann aber nicht mehr final geklärt werden. Die neue Deutschland Geschwindigkeit scheint nun auch in Wiesbaden angekommen zu sein!
In Summe können wir mit dem Zwischenstand zufrieden sein, denke ich, aber es muss sich erst noch zeigen, wie ernst die gemachten Angebote gemeint sind.
Sitzung des Sozialausschusses
Hierüber gibt es leider nicht viel zu sagen. Die Debatte war für mich, der ich noch nie an einer solche Veranstaltung teilgenommen hatte, auf einem erschreckend niedrigen Niveau. Im Wesentlichen wurden die gestellten Anträge vorgetragen, der politische Gegner meist reichlich am Thema vorbei angegriffen oder, z.B. vom Sprecher der „Linken“, die eigene Person als Märtyrer für die gute Sache der Migranten stilisiert. Das Ganze verharrte in den von Frau Dr. Becher eingangs zum wiederholten Male vorgetragenen Sachzwang und Alternativlos Kreisel. Der Sprecher der CDU trug dann so nebelhaft vor, dass er von der Regierungskooperation zu Recht gefragt wurde, ob er denn nun für oder gegen die GU+ in der Lessingstraße sei. Die darauf erfolgte Antwort mit „eigentlich nicht so recht aber dann doch weil irgendwo müssen sie ja hin“ half da dann auch nicht weiter. Irgendein nach vorne gerichteter Gestaltungswille war bei bestem Willen nicht zu erkennen.
Der aus meiner Sicht groteske Höhepunkt war dann der Antrag der Regierungskooperation, die sogenannte „Wiesbadener Linie“ mit den Kernsätzen „dezentrale Unterbringung“, „Gleichmäßige Verteilung auf die Stadtteile“ und „Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger“ zum wiederholten Male beschließen zu lassen. Keines dieser drei Kriterien ist bei der GU+ Lessingstraße erfüllt, aber was solls!
Die BI bekam dann noch kurz vor Ende der Veranstaltung die Gelegenheit zu einem kurzen Statement und dann ging diese Sternstunde demokratischer Willensbildung und Debattenkultur auch zu Ende.
Ortsbeiratssitzung Montag, 9.10.2023
Ort: Mosbacher Berg, Schule, Aula
Anwesende: Ortsbeirat City-Ost, Frau Würzberger, Frau Dr. Becher, Herr Frank (SEG), Herr G (Wibau)
Warum findet die Stadt Wiesbaden keine Alternative?
Laut Aussage von Hern Michael Frank, Prokurist der SEG, kauft die SEG ausschließlich Gebäude.
Man hätte „jeden Stein umgedreht“, und keine Alternative in dieser Größenordnung gefunden.
Allerdings gäbe es durchaus Alternativen. Hier räumt allerdings Herr Frank ein, dieses Geld würde dann in die freie Wirtschaft fließen und nicht bei der SEG also der Stadt bleiben.
So bleiben die vom Bund und vom Land gezahlten Flüchtlingsgelder im städtischen Betrieb.
Wieviel Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen Einsätze gibt es denn monatlich in der Hans-Bredow- Straße?
Laut Frau Würzberger gibt es im Umfeld einer Gemeinschaftsunterkunft GU plus (Unterkunft ab mind. 150 Personen) keine Auffälligkeiten. „Nicht mehr als in jedem anderen Wohngebiet auch.“
Laut Berichten von Wiesbadenern Sozialarbeitern, kommt es quasi wöchentlich zu mehreren Einsätzen der Polizei, Krankenwagen und der Feuerwehr. Anwohner der Hans-Bredow-Straße bestätigen diesen Zustand, räumen aber ein, dass man aufgrund der doch abgelegeneren Lage sowie dem Gebäude zwischen der Gemeinschaftsunterkunft und dem Abstand von mindesten 200 m zu den ersten umliegenden Häusern, das Geschehen nicht all zu sehr mitbekommt.
Wie wird sich dieser Zustand auf die Anwohner der Lessingstraße auswirken?
Die Lessingstraße ist sehr eng und die umliegenden Häusern liegen in einem Radius von 8 Metern um die Gemeinschaftsunterkunft.
Wie sollen die Anwohner mit einer solchen Lärmbelästigung insbesondere nachts umgehen?
Keine Antwort.Wie solle denn somit die derzeitige Akzeptanz für Flüchtlinge weiter Bestand halten.
Wann wurde der Ortsbeiratsvorsitzende Herr Scholz, Grünen über die geplante Unterkunft in der Lessingstraße 16 informiert?
Laut Herrn Scholz ist ihm eine Mail im Februar untergegangen, in der Sitzung vom 10.10.23, war es dann ein Telefonat welches ihm „durchgerutscht“ ist.
Kommunikation ist >>NEBENSACHE<< -
Laut Stadtverordnetem (SPD) ist die Kommunikation Nebensache. Hier gehe es um Menschen, die untergebracht werden müssten. Daher wäre die Kommunikation mit den Anwohnern Nebensache.
>>GERÄUSCHLOSE Eingliederung<<
Warum sind die Anwohner auch im Fall der Flüchtlingsunterkunft in der Viktoriastrasse / Ecke Lessingstrasse nicht informiert worden?
Wir haben mit der geräuschlosen Eingliederung von Menschen sehr gute Erfahrungen gemacht. So machen die Anwohner gleich die Erfahrung, dass die neuen Nachbarn gar kein Problem darstellen. (Frau Würzberger, Amt für Soziales)
Warum wurde in der Stadtverordnetensitzung am 27.09.23 der Dringlichkeitsantrag von CDU, FDP und Pro Auto abgelehnt?
Die Parteien der SPD, der Grünen, der Linken und Volt, sahen in dem Antrag keine Dringlichkeit, obwohl fleißig gebaut und die ersten Flüchtlinge im November einziehen sollen.
Wieviele Flüchtlingsplätze gibt es derzeit in Wiesbaden?
Laut dem Sozialdezernat gibt es derzeit 2.600 Personen. Warum bei 26 Stadtteilen bis 400 in Süd Ost. Und das schon seit 8 Jahren. Ist das eine gerechte Verteilung? Wird hier noch die Wiesbadener Linie eingehalten? Also das Versprechen einer dezentralen Verteilung.
Warum kauft die SEG ein Bürogebäude in einer 1B Lage für 15 Mio. Euro. Ist das nicht zu teuer?
Die SEG schreibt dazu auf ihrer Internetseite: Die Zinskosten, die Umbaukosten und die Abschreibungen sind durch die Miete (die zahlt die Stadt und bekommt sie vom Land und Bund) refinanziert.
Wem gehört die Lessingstraße 16?
Die SEG hat das Gebäude im Januar 2023, laut SEG Geschäftsführer Andreas Guntrum für 15 Mio. gekauft. Die Eigenkapitalzulage seitens der Stadt liegt bei EUR 5,1 Millionen.
Die Umbaukosten bewegen sich bei min. EUR 3,5 Millionen.
Die Stadt mietet das Gebäude für mind. 7 Jahre, plus 3 x 1 Jahr Verlängerung.
Die Stadt zahlt der SEG eine Mietpauschale von um die EUR 350,- / Flüchtling.
Die Mieteinnahmen des vorherigen Besitzers beliefen sich auf ca. EUR 1,2 Millionen.
D.h. Bei einer Belegung von ca. 300 Flüchtlingen würde man den Mietzins von 2022 erhalten.
Was passiert wenn die Flüchtlingszahlen zurückgehen, wie wird man dann das denkmalgeschützte Gebäude nutzen?
Laut Frau Würzberger und dem Sozialdezernat, müssen sich die Bürger keine Sorgen machen. Ein Leerstand ist nicht zu befürchten, es gibt im Sozialbereich immer Bedarf an Räumlichkeiten.
Das Problem ist allerdings, dass die Stadt keine Erstattung von Land und Bund für die Miete bekommt.
Keine Flüchtlinge keine Erstattung der Mietkosten an die SEG.
Warum ist noch immer kein Bauantrag gestellt worden obwohl das Stadtverordneten den Kauf am 15.12.22 zugestimmt haben?
Laut Herrn Frank ist solch ein Bauantrag sehr kompliziert. So etwas benötig seine Zeit.
Auch bei mehrmaligem Nachfragen konnte keine andere Antwort erzielt werden. Stattdessen wurde eine Anwohnerin mal wieder verhöhnt. Mit fast drohendem Finger sagte Herr Frank: „Was wollen Sie denn immer mit dem Bauantrag und dem Denkmalschutz – geben sie es doch endlich zu – sie wollen keine Flüchtlinge!“
Daraufhin die Bürgerin: „Ich habe mich in den letzten acht Jahren intensiv um Flüchtlingskinder gekümmert. Sie waren bei mir zu Hause zum Mittagessen nach der Schule, ich habe sie mit zu Ausflügen genommen, ihre Ausflüge mitfinanziert und sie auch wieder in die Hans-Brewdow-Straße gebracht. Und was haben Sie bisher für Flüchtlinge gemacht?“
Auf die Frage was macht die SEG als Stadtentwickler?
Laut Herrn Frank werden alle Ankäufe mit dem Magistrat der Stadt abgestimmt.
Der Ankauf der Lessingstrasse 16 wurde am 15.12.22 von SPD, Grünen, Linken und Volt zugestimmt, CDU und FDP haben dagegen gestimmt.
In der Magistratsvorlage stand vermerkt, dass der Ortsbeirat nicht informiert werden müsse. In einer Fußnote auf einer der letzten Seiten wurde die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft erwähnt.
Verhandelt die SEG mit ihren Verkäufern über den Kaufpreis?
Das Verkaufs-Exposé der Lessing 16 weißt einen Kaufpreis von 15 Mio. aus. Ein Gutachter bewertet die Immobilie mit 11 Millionen. Nach den Informationen der Zeitungen lag der Kaufpreis bei 15 Mio. Zu den Vertragsverhandlungen und dem Kaufpreis wollte Herr Frank nichts sagen.
Warum genehmigt Baudezernat Andreas Kowol der SEG fast 50 Millionen Euro?
Wiesbaden will eine aktive Politik der Bodenbevorratung starten. Private Investoren haben hier seit vielen Jahren keine Chance mehr.
Die Landeshauptstadt Wiesbaden will „aus strategischer Sicht“ über ihre Stadtentwicklungsgesellschaft SEG für – einschließlich aller Nebenkosten – fast 50 Millionen Euro
insgesamt fünf Immobilien erwerben u.a. die Lessingstraße 16-18.
Übergeordnetes Ziel dieser geplanten Transaktionen ist es, den kommunalen Einfluss auf die innerstädtische Entwicklung zu wahren.
Integration – Anspruch und Realitätscheck beim Projekt Lessingstraße 16-18
Der Anspruch
Integrationspolitik ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Sozialpolitik. Gemäß „Der Hessische Integrationsmonitor“ von 2022 haben 36% aller in Hessen lebenden Meschen einen Migrationshintergrund. Die Zahl allein macht deutlich, welche Bedeutung das Thema für unser Zusammenleben hat.
Dieser Bedeutung wird auf politischer und konzeptioneller Ebene auch Rechnung getragen, die entsprechenden Leitbilder, Handlungsfelder und Maßnahmenkataloge sind im hessischen Integrationskompass bzw. Integrationsplan (2.0) zusammengefasst und dokumentiert (https://integrationskompass.hessen.de/)
Die folgenden Voraussetzungen, Ziele und Ansprüche sind (auszugsweise) im Integrationsplan festgehalten:
1. „Erfolgreiche Integration setzt Akzeptanz der angestammten Bevölkerung voraus.“
2. „Ziel der Integrationspolitik der Landesregierung ist eine Verantwortungsgemeinschaft aller Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in diesem Land haben“
3. „Integration ist ein gegenseitiger Prozess, in den alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen sind. Sie kann nicht verordnet werden, sie kann nicht einseitig gelingen, sie muss von allen Beteiligten angestrebt und gelebt werden. Integration baut auf dem Prinzip der gegenseitigen Akzeptanz und Toleranz auf.
4. „Integration vollzieht sich im Gemeindeleben, in der Nachbarschaft“
5. „Beteiligung im Quartier fördert die Identifikation von Bewohnerinnen und Bewohnern nachhaltig. Diese Rahmenbedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf ihre Bereitschaft, sich für die Entwicklung des Gemeinwesens zu engagieren.“
6. Langfristiges Ziel der hessischen Stadt(teil)entwicklungspolitik ist, die Attraktivität und Förderung der sozialen und kulturellen Vielfalt in den Stadtteilen kontinuierlich zu verbessern.“
7. „Darüber hinaus verstehen wir auch die sogenannte Mehrheitsgesellschaft bzw. Mehrheitsbevölkerung als Zielgruppe von Integrationsarbeit“
8. […]
Soweit Anspruch und Theorie.
Der Realitätscheck
Der Plan, das ehemalige Didier Ensemble in der Lessingstraße 16-18 in eine Massenunterkunft für Geflüchtete umzugestalten und sie im nachbarschaftlichen Umfeld zu integrieren, muss sich auch an den im Integrationskompass festgehaltenen Ansprüchen messen lassen. Im Folgenden werden die Kernaussagen der o.g. Punkte mit den bisherigen Ereignissen im Kontext des Projekts aus Sicht der Anwohner verprobt:
Frage zu 1.) Ist die Akzeptanz der angestammten Bevölkerung für das Projekt gegeben?
Antwort: Ganz offensichtlich nicht! Die Anwohner des Quartiers haben bei der kurzfristig anberaumten „Informationsveranstaltung“ des Dezernats für Soziales, Bildung und Wohnen ihrem Unmut bzgl. des Projekts Ausdruck verliehen (s. Berichterstattung Wiesbadener Kurier vom 20.09.2023).
Frage zu 2.) Wurde auf eine Verantwortungsgemeinschaft aller Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt im Umfeld des Projektes haben hingewirkt?
Antwort: Nein, eine diesbezügliche Kommunikation seitens der Verantwortlichen aus dem Dezernat für Soziales, Bildung und Wohnen gab es zu keinem Zeitpunkt.
Frage zu 3.) Wurden alle gesellschaftlichen Gruppen bei der Planung des Projekts einbezogen? Oder wurde das Projekt etwa verordnet?
Antwort: Die Anwohner im Umfeld wurden zu keinem Zeitpunkt in die Entwicklung des Projekts einbezogen. Das Ergebnis wurde schließlich – und dies nur unter dem Druck der Gerüchteküche, die durch die Befragung von auf dem Areal tätigen Handwerkern geschürt wurde – notgedrungen „verkündet“. Die Ankündigung der „Informationsveranstaltung“ zur Verkündung wurde lediglich an die „direkten Anwohnerinnen und Anwohner“ adressiert und nur in der Nachbarschaft der direkt angrenzenden Grundstücke verteilt. Betroffen von dem Projekt sind aber wesentlich mehr Anwohner im Umkreis des Areals. Eine künftige Einbeziehung der Anwohner ist nicht vorgesehen und wurde explizit abgelehnt.
Frage zu 4.) Kann sich Integration unter den gegebenen Bedingungen in der Nachbarschaft vollziehen?
Antwort: Nein, schon alleine die Planzahlen für die Belegung des Areals Lessingstrasse16-18 beantworten die Frage. 350 Personen - zusätzlich zu den bereits im angrenzenden Gebäude in der Viktoriastraße einquartierten 50 Geflüchteten - lassen sich in der Nachbarschaft nicht integrieren. Die Zahlenverhältnisse sprechen eher für einen Integration der Nachbarschaft in die Flüchtlingsunterkunft.
Frage zu 5.) Fördern die Rahmenbedingungen des Projekts die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für die Entwicklung des Gemeinwesens zu engagieren?
Antwort: Nein, die Rahmenbedingungen des Projekts wirken in diesem Sinne kontraproduktiv. Anwohner des Areals, die sich in der Vergangenheit für Integration engagiert haben, werden durch die kommunikations- und konzeptionslose „Verordnung“ des Projekts bezüglich eines weiteren Engagements vollkommen demotiviert.
Frage zu 6.) Verbessert das Projekt Lessingstraße 16-18 die Attraktivität des Stadtteils?
Antwort: Nein, die nun offizielle Mitteilung hinsichtlich des Plans, auf dem Areal Lessingstraße 16-18 eine Massenunterkunft für bis zu 350 Geflüchtete einzurichten, hat in der Nachbarschaft des Areals Ängste und Befürchtungen ausgelöst, die bereits zu Abwanderungsüberlegungen geführt haben und auf eine künftige Entwertung des Stadtteils hindeuten. Sehr enttäuschend war an dieser Stelle auch die Vorbereitung der „Informationsveranstaltung“ durch die Verantwortlichen der Stadt: Nicht eine einzige Maßnahme, die zur Beruhigung der Gefühlslage hätte beisteuern können, wurde angeboten bzw. in Aussicht gestellt, obwohl entsprechende Befindlichkeiten der Anwohner mehr als vorhersehbar waren.
Frage zu 7.) Fühlt sich die sogenannte Mehrheitsbevölkerung als Zielgruppe angesprochen?
Antwort: Nein, die Antworten zu den Punkten 1.) – 6.) legen nahe, dass dieser Teil der Bevölkerung bei der Planung des Projekts vollkommen ignoriert wurde.
Die Schlussfolgerung
An den o.g. 7 Punkten offenbart sich, mit welcher Ignoranz von den Verantwortlichen bei diesem Projekt eigene Vorgaben und Leitbilder missachtet werden. Man gewinnt den Eindruck, dass es hier nur um die „Lagerung“ von Menschen und der Verfolgung wirtschaftlicher Ziele der SEG geht, hinsichtlich geeigneter Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Integration keine Spur. Diese Nonchalance hinterlässt bei uns als Anwohner des Areals, die mit den Konsequenzen des dilettantischen Vorgehens leben müssen, Fassungslosigkeit und Frustration und untergräbt das Vertrauen in Politik und die handelnden Personen nachhaltig.
Zusammenfassungen Termine
Sitzung des Bauauschusses am 17.10.2023
Hier war unser Thema sehr zentral auf der Agenda, leider verlief die Diskussion dann aber sehr enttäuschend. Im Wesentlichen haben sich die jeweiligen Fraktionssprecher gegenseitig ihre Anträge zum Thema vorgelesen und der BI wurde nach diesem Schauspiel noch die Gelegenheit gegeben, ein Statement abzugeben. Ergiebiger waren dann die Gespräche nach der Sitzung, welche weitere Kontakte erschlossen haben.
Ortsbeiratssitzung City Ost vom 18.10.2023
In dieser Sitzung war die GU Lessingstraße nicht auf der Agenda, die BI war dennoch recht zahlreich vertreten und hat die übliche Bürgerfragestunde genutzt. Leider sah sich der Ortsbeirat trotz der nur wenige Tage vorher stattgefundenen a.O. Sitzung zum Thema GU Lessingstraße auf Rückfrage nicht in der Lage, eine eigene Einschätzung zu diesem Projekt abzugeben. Insbesondere die Mitglieder der regierenden „Linkskooperation“ versuchten, jegliche Diskussion abzuwürgen. Allein die Ortsbeirätin Nicole Röck-Knüttel hat klar Stellung bezogen, dass es sich der Ortsbeirat als Gremium hier nicht so leicht machen kann und sich auch als Vertreter aller Bürger in Wiesbaden Südost sehen muss. Ein Mail des BI Mitgliedes Andreas Huellen an die Ortsbeiräte habe ich beigefügt, um hier einen Eindruck zu geben.
Termin mit OB Klaus-Uwe Mende am 19.10.2023
Neben Mitgliedern der BI waren noch Frau Würzberger (Sozialdezernat) und der Assistent von OB Mende beim Termin zugegen. Der erste Eilantrag von Anwohnern um die Lessingstraße 16 lag zwischenzeitlich vor, was zu einer etwas kühlen Stimmungslage bei den Vertretern der Verwaltung führte. Herr Mende überraschte die Teilnehmer der BI gleich zu Beginn damit, dass er auf Nachfrage einräumte, die Situation in der Lessingstraße 16 gar nicht aus eigener Anschauung zu kennen (ist ja gut einen Kilometer von der Amtsstube entfernt!). Im Laufe des Gespräches hat Frau Würzberger Ihre Ausführungen in der a.o. Ortsbeiratssitzung nochmals bekräftigt, dass das Sozialdezernat sich eine Mischnutzung gut vorstellen könne. Wie zu erwarten, gab es keine Durchbrüche, aber die BI hat Ihre Standpunkte nun auch dem OB persönlich dargelegt und damit ein Stück Problembewusstsein geschaffen. Eine Einladung in die Martinstraße 17 zum Kaffee wurde zwar abschlägig beschieden, wir gehen aber davon aus, dass sich Herr Mende die Situation vor Ort anschauen wird.
Termin mit Andreas Kowol am 24.10.2023
Auf Grund seiner vielfältigen Funktionen erscheint uns Herr Kowol eine sehr zentrale Person für unser Thema. Seitens der Verwaltung war noch Herr Backes (Zuständig für das Projekt „Bodenbevorratung“ der Stadt) zugegen. Das Gespräch verlief sehr ermutigend und er hat Verständnis für die Positionen der BI geäußert. Herr Kowol stimmte zu, dass die SEG wie jeder andere auch einen Bauantrag stellen sollte, bevor gebaut wird. Hier hat er entsprechende interne Abstimmungen angekündigt. Auch hat er mitgeteilt, dass er hinsichtlich der Idee, die Lessingstraße 16-18 als GU zu nutzen, persönlich Bedenken hatte. Das Team der BI konnte unsere Punkte darlegen, und hat den Eindruck gewonnen, dass hier womöglich ein Denkprozess angestoßen werden konnte.
Stellung zweiter Eilantrag am 25.10.2023
Der zweite Eilantrag nach § 123 VwGO wurde von einer zweiten Gruppe von Betroffenen, welche direkt an die Lessingstraße 16-18 angrenzend wohnen, gestellt. Der Schwerpunt in der Argumentation liegt bei diesem zweiten Antrag (welcher durch eine andere Rechtsanwaltskanzlei betreut wird als der erste), insbesondere bei der zu erwartenden Geräuschkulisse etc. Die Aufteilung in zwei Gruppen erwies sich nach erster Anschauung als richtig, da die am Vortag eingegangene Erwiderung des Rechtsamtes der Stadt sich bei der Verteidigung gegen den ersten Eilantrag im Wesentlichen auf Argumente stützte, dass die Kläger mit ihren Grundstücken zum Teil nicht im gleichen Bebauungsplan lägen, was bei den direkt angrenzenden Grundstücken des zweiten Antrages wohl kaum mehr als Argument dienen kann.
Treffen mit der FDP Stadtverordnetenfraktion am 30.10.2023
Hier wurde unserem Anliegen viel Verständnis entgegengebracht. Es wurde uns wieder klar, dass wir unsere Anstrengungen, Fakten zu sammeln und diese dann auch zu verbreiten, noch verstärken müssen. Die FDP Fraktion hat der BI in Aussicht gestellt, insbesondere im Hinblick auf die Evaluierung von Alternativen zur GU Lessingstraße auf die Verwaltung einzuwirken.
Wie geht es weiter?
Übermorgen, am Donnerstag dem 2.11.2023, findet die nächste Satdtverordnetenversammlung statt. Die GU Lessingstraße ist hier auf der Agenda.
Wir suchen noch Mitstreiter zur Verteilung von Flyern an die Stadtverordneten und Besucher! Treffpunkt ist um 15:15 am Fahrradständer rechts von der Treppe ins Rathaus. Wer Zeit hat hier mitzumachen: Bitte bei mir kurz per Mail melden (info@lessing16.de)!
Stadtteilspaziergang mit Alexander Lorz
Am Montag, 02.10.23 bekam unsere Bürgerinitiative Lessing 16 Besuch von der CDU.
Im Zuge eines Stadtteilrundgangs informierte sich die CDU, wie sich die Lage rund um die geplante Flüchtlingsunterkunft in der Lessingstraße 16 (geplante Unterkunft für 340 Personen) für das gesamte Viertel und die Anwohner darstellt.
Um unser Viertel besser vorzustellen, ging der Rundgang neben der geplanten Unterkunft in der Lessingstraße 16 auch zu der direkt daneben liegenden Flüchtlingsunterkunft in der Viktoriastraße 18.
Diese Flüchtlingsunterkunft ist seit 2022 mit ca. 50 Flüchtlingen belegt.
Von hier aus gingen die Anwohner vorbei an unserem Schneider Sanaz, dem Balkanischen Supermarkt JugoProm bis zur Dantestraße. Über einen kleinen Fußweg führte der Weg weiter zur polnischen Kirchengemeinde und dem Kindergarten Heilige Familie.
Ziel war es unser Viertel mit all seinen Facetten vom Sozialen Wohnungsbau bis hin zu den denkmalgeschützen Häusern des 19. Jahrhunderts, die von mehreren Familien bewohnt werden, zu zeigen.
„Wir sind ein sehr durchgemischtes Viertel in dem wir gerne wohnen,“ so ein Anwohner.
Im Zuge des Rundgangs konnten die Mitglieder der Bürgerinitiative Lessing 16 die Idee der Nutzung der Immobile Lessingstraße 16 den Politikern erläutern.
Diese bestehet aus einer kleineren Flüchtlingsunterkunft, Büros, Praxen, Studentenwohnungen, Räume zur gemeinnützigen Benutzung von Anwohnern und Flüchtlingen und einem Kiez-Café. „So wären viele Bedürfnisse in diesem Viertel gedeckt.“
Mit dabei waren die Fraktionsvorsitzende Daniela Georgi, Nicole Röck-Knüttel, der CDU-Spitzenkandidat und amtierender Kultusminister Alexander Lorz, das Mitglied des Bundestages und zugleich Kreisvorsitzender Ingmar Jung sowie Dr. Hans-Achim Michna, Ortsbeirats-Fraktion der CDU und André Weck.
Viele Anwohner nutzten die Gelegenheit, um in einem persönlichem Gespräch mit den Politikern vor Ort ihre Ängste und Nöte zu erörtern. Aber auch von ihren Wünschen und dem nachhaltigen Konzept hinsichtlich des Gebäudes in der Lessingstraße 16.
„Es hat uns gut getan, bei jemanden Gehör zu finden und macht uns weiter Mut unsere Stimme zu erheben und uns für eine nachhaltige Stadtentwicklung mit Zukunft stark zu machen.“
„Wir können jeden hier nur motivieren, sich mit uns gemeinsam zu engagieren.“
Warum der Denkmalschutz uns alle angeht
Denkmalschutz ist weit mehr als nur die Erhaltung von alten Gebäuden und kulturellen Stätten. Er ist ein wichtiger Bestandteil unserer kulturellen Identität und spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewahrung unserer Geschichte und Tradition und ist daher eine unverzichtbare gesellschaftliche Aufgabe, die dazu beiträgt, unserer Geschichte lebendig zu halten und für künftige Generationen zu erhalten. Der Erhalt von Kulturdenkmälern dient vor allem der Allgemeinheit und hat Verfassungsrang (www.denkmal.hessen.de). Daher sollten wir den Denkmalschutz als eine Verpflichtung betrachten, die uns allen obliegt, um die Werte und Traditionen unserer Gesellschaft zu bewahren.
1. Bewahrung unserer Geschichte
Eines der offensichtlichsten Ziele des Denkmalschutzes ist die Bewahrung unserer Geschichte, denn Denkmäler sind lebende Zeugnisse vergangener Zeiten. Sie erzählen Geschichte über Menschen, die in ihnen gelebt und gearbeitet haben, über Lebens- und Arbeitsweisen, ihre Errungenschaften und Herausforderungen. Durch den Erhalt dieser Denkmäler ermöglichen wir es künftigen Generationen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, sich mit ihr zu verbinden und daraus zu lernen.
2. Förderung des kulturellen Erbes
Unser kulturelles Erbe ist ein kostbares Gut, das es zu schützen gilt. Denkmäler und historische Gebäude sind oft einzigartige Zeugnisse der Architektur, Kunst und Handwerkskunst vergangener Epochen. Sie repräsentieren die kulturelle Vielfalt und die kreativen Lösungen unserer Vorfahren. Der Denkmalschutz hilft, dieses Erbe zu bewahren und zu fördern, indem er sicherstellt, dass es für künftige Generationen erhalten bleibt.
3. Identitätsbildung und Gemeinschaftssinn
Denkmäler sind nicht nur Relikte der Vergangenheit, sondern auch wichtige Symbole für allerlei Gemeinschaften wie Stadtviertel, Kommunen oder Länder und Nationen. Sie tragen zur Identitätsbildung bei und schaffen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Menschen können sich mit ihren historischen Wurzeln identifizieren und stolz auf ihre kulturelle Geschichte sein. Der Erhalt von Denkmälern fördert den Gemeinschaftssinn und das kulturelle Selbstbewusstsein.
4. Wirtschaftliche Entwicklung
Denkmalschutz kann auch einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen bringen, denn Denkmäler unterstützen die lokale Wirtschaft. Sie schaffen Arbeitsplätze in den Bereichen Tourismus, Restaurierung und Erhaltung. Und nicht zuletzt bilden Denkmäler einen wertvollen Baustein bei der Entwicklung von Quartieren. Indem wir unser kulturelles Erbe erhalten, investieren wir in die Zukunft und schaffen nachhaltige wirtschaftliche Chancen.
5. Bildung und Forschung
Denkmäler sind auch für Bildung und Forschung von bedeutender Relevanz. Sie dienen als Quellen für historische Studien und ermöglichen Wissenschaftlern und Forschern, Einblicke in vergangene Gesellschaften mit ihren Lebens- und Arbeitsgewohnheiten zu gewinnen. Daraus entwickelt sich unser Wissen über die Geschichte weiter.
6. Nachhaltigkeit und Umweltschutz
Der Denkmalschutz kann auch einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben, da er dazu beiträgt, den Abriss von Gebäuden und den Neubau zu reduzieren. Angemessen ausgeführt, spart das Ressourcen und verringert den CO2-Fussabdruck einer Gesellschaft.
7. Öffentliches Engagement und Interessenkonflikte
Die Unterstützung und das Engagement der Öffentlichkeit sind entscheidend für den erfolg des Denkmalschutzes. Bürgerinnen und Bürgern spielen oft eine wichtige Rolle bei der Erhaltung und Pflege von Denkmälern.
Bisweilen gibt es auch Interessenkonflikte zwischen Denkmalschutz und anderen Entwicklungszielen, zum Beispiel städtischer Erneuerung und Quartiersentwicklung. Hier kommt es insbesondere darauf an, alle berechtigten Interessen abzuwägen. Der Ausgleich dieser Interessen ist komplex und in der Regel nicht ohne Kompromisse zwischen allen Beteiligten zu erreichen.
Das Gebäude in der Lessingstrasse wurde für die Didier-Werke als repräsentatives Verwaltungsgebäude 1950/51 durch den Architekten Ludwig Minner errichtet. In „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen; Band: Wiesbaden II - Die Villengebiete, Seite 168“ wird das Objekt so beschrieben:
„Der repräsentative, gut gestaltete Bau sollte (…) als Verwaltungsgebäude dienen (…) Er ist Kulturdenkmal als Dokument für die Anfänge des Wiederaufbaus in der Bundesrepublik, wobei der retardierende Baustil in Wiesbaden Tradition hat“.
Zuletzt wurde die Liegenschaft durch das Regierungspräsidium Darmstadt für unterschiedliche Behörden zur Verfügung gestellt. Es wurde im Dezember 2022 von der SEG erworben und steht seit geraumer Zeit leer.
Auf Dauer wird sich das Denkmal in der Lessingstrasse nur erhalten lassen, wenn es einer dauerhaften Nutzung zugeführt wird. Zu vermuten steht, dass das Gebäude nicht den heutigen Anforderungen an Büroräume entspricht. Folglich sind umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen mutmasslich unumgänglich. Und niemand strebt ernsthaft die museale Konservierung eines in die Jahre gekommenen Gebäudes an!
Man muß zurecht erwarten können, dass jemand, der ein Einzeldenkmal erwirbt, sich seiner diesbezüglichen Verantwortung bewußt ist. Dies umso mehr, wenn es sich dabei um ein Unternehmen handelt, dessen Hauptzweck in der Immobilienprojektierung und -bewirtschaftung liegt. Diese Verantwortung besteht darin, sowohl die äußere und innere Anmutung als auch Wesen und Charakter des Gebäudes zu bewahren. Und letztlich geht es nicht nur um das Gebäude selbst, sondern auch darum, die geplante, neue Nutzung mit dem Charakter der Umgebung soweit wie möglich in Einklang zu bringen.
Im speziellen Fall Vorhabens in der Lessingstrasse werden solche Erwartungen bitter enttäuscht.
Denkmalrelevante Aspekte werden offenkundig bewußt vernachlässigt
Unterdessen ist allgemein bekannt, dass die SEG nicht einmal einen denkmalrechtlichen Antrag für ihre geplante Nutzung gestellt hat. Zu vermuten steht, dass sie dem Thema Denkmalschutz keinerlei Beachtung geschenkt hat.
Im Kern handelt es sich um ein Gebäude, in dem administrative und planerische Tätigkeiten innerhalb üblicher Arbeitszeiten ausgeübt wurden. Die denkmalpflegerische Prüfung wäre also, wie eine künftige Nutzung diesem Charakter am besten entsprechen kann. Die Nutzung als Massenunterkunft liegt von allen denkbaren Möglichkeiten der Nutzung meilenweit davon entfernt, dem Wesen eines Bürogebäudes zu entsprechen.
Auswirkungen auf die Quartiersentwicklung wurden ebenfalls offenkundig nicht berücksichtigt. Wenn die Stadt Wiesbaden auf ihrer Homepage mit „Besonders sehenswert sind die Villenviertel "City-Ost" und beiderseits der unteren Biebricher Allee sowie das in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstandene Dichterviertel, in dem Freunde des Jugendstils voll auf ihre Kosten kommen.“ wirbt, wird deutlich, dass sich der Charakter eines Viertels (neben dem Charme einzelner Gebäude) wesentlich aus dem Zusammenspiel aller Gebäude ergibt. Deshalb ist auch bei baulichen oder nutzungstechnischen Veränderungen einzelner Gebäude immer die Auswirkung auf die Umgebung zu bewerten. Die enge Belegung des Gebäudekomplexes mit bis zu 350 Menschen entspricht in keiner Weise dem Flair und der Anmutung des Viertels.
Die Anwohner des Objektes wurden bisher zu keinem Zeitpunkt in Planung und Gestaltung einbezogen. Stadt Wiesbaden und SEG verweigern sich damit einer - auch denkmalpflegerisch gebotenen - Diskussion mit unmittelbar von der Maßnahme betroffenen Bürgern und berauben sich damit der Möglichkeit, eine identitätsstiftende und von allen getragene (Kompromiss-)Lösung zu erzielen.
Denkmalschutz ist auch, aber eben bei weitem nicht nur, eine Frage gesetzlicher Regelungen. Guter Denkmalschutz fordert und fördert vor allem die konstruktive Zusammenarbeit von Regierungen, Gemeinschaften, Experten und Bürgern und ermöglicht gemeinsam getragene Lösungen. Alle Besitzer denkmalgeschätzter Immobilien in Wiesbaden City-Ost wissen das und werden dieser Verantwortung - auch mit Unterstützung des Denkmalamtes - gerecht. Wie schön wäre es, wenn sich Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sowie die SEG ihrer denkmalpflegerischen Verantwortung stellten.
EMAIL an Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende
"Sehr geehrter Herr Mende,
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat die Stadtentwicklungsgesellschaft ( SEG) im Rahmen der Bodenbevorratung das Objekt Lessingstraße 16-18 ( ehem. Didier Hauptverwaltung) Ende letzten Jahres erworben.
In diesem Einzelkulturdenkmal (!) soll nun eine Massenunterkunft für 348 Flüchtlinge als Ersatz für die bereits bestehende Unterkunft in der Hans-Bredow-Strasse entstehen. Auf dem Nachbargrundstück in der Lessingstrasse ist bereits eine Unterkunft für 50 Personen letztes Jahr entstanden.
Die SEG und das Sozialdezernat planen also eine Großunterkunft inmitten des historischen Villengebietes CityOst. Integration schließt sich somit quasi aus.
Nachdem die Planung und auch – bisher übrigens ohne Bauakte(!) - die Umbauarbeiten ohne Information der Anwohner begonnen haben, wurde durch Druck der Bürger eine Informationsveranstaltung abgehalten, die jedoch völlig inakzeptabel ablief und einer Verhöhnung der Anwohner gleichkam.
Wir möchten gerne kurzfristig mit Ihnen in einem persönlichen Gespräch über dieses absurde Projekt und das damit einhergehende völlig unsensible Verhalten und das unintelligente Vorgehen von SEG und Sozialdezernat sprechen.
Wir als Anwohner fühlen uns hintergangen, bevormundet und in unserem Innersten getroffen . Es geht um unser aller zuhause und die drohende Zerstörung unseres Stadtviertels.
So geht man doch nicht mit den Bürgern um.
Bitte teilen Sie meinem Mann und mir mit, wann Sie für einen kurzfristigen Termin zur Verfügung stehen."
EMAIL an Bürgermeisterin Hinniger
Sehr geehrte Frau Hinninger,
wie Ihnen sicherlich bekannt ist, hat die Stadtentwicklungsgesellschaft Ende letzten Jahres im Rahmen der Bodenbevorratung das Objekt Lessingstrasse 16-18 ( ehemalige Didier-Hauptverwaltung) erworben.
Geplant ist, in diesem Einzelkulturdenkmal (!) eine Flüchtlingsunterkunft für 348 Personen anstelle der Unterkunft Hans-Bredow -Straße( 600 Personen) einzurichten. Die Arbeiten haben bereits ohne Baugenehmigung begonnen, die Bürger wurden nur, nachdem dies massiv eingefordert wurde, in einer Infoveranstaltung in völlig inakzeptabler Art und Weise informiert.
Das wäre – neben der ebenfalls in der Lessingstraße bereits bestehenden Unterkunft für 50 Personen – die zweite Flüchtlingsunterkunft im historischen Villengebiet CityOst. Insgesamt sollen allein in der Lessingstraße also 400 Personen beherbergt werden. Wenn Sie diesen Teil der Stadt kennen, werden Sie vielleicht nachvollziehen können, daß unser Viertel mit einem zweiten derart großen Flüchtlingsheim komplett überfordert wäre und bereits jetzt die Wut und das Unverständnis für dieses Projekt hohe Wellen schlagen. Eine weitere Integration- über die von den Anwohnern bisher geleistete hinaus – wird quasi ad absurdum geführt.
Wir möchten Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch erklären, was uns Anwohner und Bürger dieser Stadt so unglaublich verärgert. Die völlig inakzeptable Bevormundung der Bürger durch das Sozialdezernat , die Heimlichtuerei der SEG, die in ihrer Vorgehensweise viele Fragen aufwirft ( vor allem finanzieller Art !!), die drohende Zerstörung bzw. Herabwirtschaftung unseres Viertels und die berechtigte Angst in der Nachbarschaft vor einem sozialen Brennpunkt.
Wie konnte so ein sensibles Thema über die Köpfe der Anwohner im Magistrat überhaupt bewilligt werden ? So geht man doch nicht mit den Bürgern ( und Steuerzahlern) der Stadt um !
Bitte teilen Sie uns mit, wann Sie kurzfristig Zeit für ein persönliches Gespräch mit mir und meinem Mann haben.
Vielen Dank im Voraus.
Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21.11.2023
Gründe I.
Die Antragsteller begehren die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zum bau- aufsichtlichen Einschreiten gegenüber der Beigeladenen.
Die Beigeladene baut auf dem im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin liegenden Grundstück Flur 41, Flurstücke 154/1, 154/2 und 154/3, postalische Anschrift: Lessing- straße 16-18, zwei Bestandsgebäude um und plant die (vorübergehende) Umnutzung dieser Gebäude in eine Flüchtlingsunterkunft für 347 Personen (Haus A: 230 Personen, Haus C: 117), die von der Antragsgegnerin betrieben werden soll. Dazu beabsichtigt die Antragsgegnerin, die Gebäude von der Beigeladenen zu mieten. Die Antragsgegnerin ist an der Beigeladenen direkt zu 5,10 % beteiligt und zu 94,90 % über die Gesellschaf- ten Wohnen Versorgung Verkehr Wiesbaden Holding und die Gewerbe Immobilien GmbH beteiligt. Die Bestandsbebauung auf dem Vorhabengrundstück besteht aus dem 1950/51 erbauten ehemaligen Hauptverwaltungsgebäude der Didier AG und späteren Verwaltungsgebäude (Sitz des Regierungspräsidiums Darmstadt) sowie einem Hinter- haus, dem Haus C, im Rückbereich des Grundstücks aus den späteren 50er Jahren. Zur Umsetzung des Vorhabens sollen die beiden Gebäude umgebaut werden. In die bisher als Verwaltungssitz genutzten Gebäude sollen Wohneinheiten mit Küchen und Gemeinschaftsflächen und Sanitäreinrichtungen sowie Räumlichkeiten für den Sozial- dienst eingebaut werden. Diese Arbeiten sind reversibel angelegt und sind von außen nicht ersichtlich. Von außen sichtbare Maßnahmen sind allein, dass dem hofseitigen (zwischen Gebäude A und C) Küchenfenster im Erdgeschoss des Gebäudes A ein Not- ausstiegspodest und an der westlichen Fassade des Gebäudes C ein Gerüstturm ange- bracht wird.
Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des am 28. November 1975 in Kraft getretenen Bebauungsplans „Östlich der Mainzer Straße und Paulinenstraße in Wies- baden-Alt", welcher für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet (Zahl der Vollge- schosse: 5 - GRZ 0,3 - GFZ 1,0 - Offene Bauweise) ausweist. Unter der Adresse Vikto- riastraße 16 (Flur 41, Flurstück 954/152) existiert auf dem Nachgrundstück bereits eine Flüchtlingsunterkunft mit 60 Plätzen. Im Umfeld des Vorhabendgrundstücks befinden sich im Wesentlichen Mehrfamilienhäuser unterschiedlicher Größe.
Eine Baugenehmigung für das geplante Vorhaben der Flüchtlingsunterkunft besteht nicht. Der Antragsgegnerin liegt ein Brandschutzkonzept der IBC Ingenieurbau-Consult GmbH (Bl. 72 ff. der Behördenakte BE 635609/23) im Vorentwurf vor.
Die Antragstellerin zu 1. ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin des Grundstücks Martinstraße 17 (Flur 41 Flurstück 707/161), das mit einem Mehrfamilien-
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haus bebaut ist. Es befindet sich innerhalb desselben Bebauungsplans wie das Vorha- ben der Antragsgegnerin, der für diesen Bereich die Festsetzungen „Allgemeines Wohngebiet - Zahl der Vollgeschosse: 3 - GRZ 0,3 - GFZ 1,0 - Offene Bauweise“ ent- hält. Auf der der Liegenschaft Lessingstraße 16-18 zugewandten (westlichen) Rückseite befinden sich in allen drei Geschossen Aufenthaltsräume, deren Fenster in Richtung des Grundstücks Lessingstraße 16-18 ausgerichtet sind.
Die Antragstellerin zu 2. ist Eigentümerin des Grundstücks Viktoriastraße 14 (Flur 41, Flurstück 468/149), das mit einem Wohnhaus bebaut ist. In jedem der vier Geschosse befindet sich eine Wohnung mit Aufenthaltsräumen auf der (östlichen) Rückseite, die in Richtung des Grundstücks Lessingstraße 16-18 ausgerichtet sind. Auf dem südlichen Nachbargrundstück Viktoriastraße 16 befindet sich die oben genannte schon länger be- stehende Flüchtlingsunterkunft.
Die Antragsteller zu 3.-8. sind Sondereigentümer der Wohnungen im Gebäude Viktori- astraße 14, mit Fenstern von Aufenthaltsräumen auf der (östlichen) Rückseite.
Die Antragstellerin zu 9. ist Eigentümerin des Grundstücks Viktoriastraße 10 (Flur 41, Flurstück 473/149) mit insgesamt drei Wohneinheiten auf drei Geschossen und Fens- tern von Aufenthaltsräumen sowie Balkonen auf der Rückseite, die in Richtung des Grundstücks Lessingstraße 16-18 ausgerichtet sind. Beide Grundstücke liegen im Gel- tungsbereich des Bebauungsplans „Mainzer Straße/ Gustav-Stresemann-Ring - 1. Än- derung". Das Plangebiet setzt für die Grundstücke ein allgemeines Wohngebiet fest.
Mit Schreiben vom 25. September 2023 beantragte der damalige Bevollmächtigte eines der Gesellschafter der Antragstellerin zu 1., Robert Binder, und nunmehrige Prozessbe- vollmächtigte der Antragstellerin zu 1. sowie seiner Ehefrau Viktoria Binder ein bauauf- sichtliches Einschreiten gegen die Bauarbeiten an der Einrichtung bei der Antragsgeg- nerin. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass gegen jeden Bürger, der ohne Baugenehmigung Bauarbeiten durchführe, Nutzungsuntersagungen ausgesprochen werden würden. Dies müsse auch für eine Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin gel-
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ten. Ein Sonderrecht bestehe insofern nicht. § 79 der Hessischen Bauordnung (HBO) sowie die polizeirechtliche Generalklausel seien nicht anwendbar. Als Eigentümer eines Nachbargrundstücks hätten die behördlichen Antragsteller einen Anspruch auf Bauein- stellung. Es werde ein Geräuschpegel wie auf einem Schulhof vorliegen. Es liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor, im Genehmigungsverfahren müsse der Bauherr die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots durch Einholung eines Lärmgutach- tens nachweisen.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Oktober 2023 ab. Sie be- gründete dies im Wesentlichen damit, dass durch die Beigeladene mittlerweile ein An- trag auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung gestellt worden sei. Darüber hinaus seien die Planunterlagen und ein Nutzungskonzept vorgelegt worden. Die Stellung eines Bauantrages solle kurzfristig erfolgen. Im Wesentlichen handele es sich bei den baulichen Maßnahmen um baugenehmigungsfreie Maßnahmen nach § 63 HBO. Nach einem Erlass der Obersten Bauaufsichtsbehörde (Hinweise zu den bauauf- sichtlichen Anforderungen für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen von März 2022, Bl. 22 des Verwaltungsvorgangs Bauüberwachungsakte BE 635263/23) sei eine zeitlich befristete Duldung ohne förmliches Verfahren vertretbar. Die Nutzungsänderung sei dabei genehmigungsfähig. Die behördlichen Antragsteller seien nicht in eigenen Rechten verletzt. Die §§ 31, 34, 35 des Baugesetzbuches (BauGB) sowie § 15 der Bau- nutzungsverordnung (BauNVO) enthielten Regelungen, die den Umfang und die Gren- zen des Nachbarschutzes umfassend bestimmten. Die Wohnnutzung und Nutzung einer Anlage für soziale Zwecke werde allgemein als verträglich eingestuft. Die von den be- hördlichen Antragstellern befürchteten Emissionen seien grundsätzlich bei jeder Wohn- nutzung typisch und hinzunehmen, zumal es sich bei einer Flüchtlingsunterkunft um ei- ne wohnähnliche Nutzung handele. Eine unzumutbare Beeinträchtigung sei nicht zu be- fürchten. Verstöße gegen das Gebot der Rücksichtnahme oder die Gebietsverträglich- keit bzw. den Gebietsprägungserhaltungsanspruch seien nicht festzustellen.
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Mit Bescheid vom 16. Oktober 2023 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen für das streitgegenständliche Vorhaben eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung nach § 18 HDSchG unter Auflagen.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2023 legte der Prozessbevollmächtigte der Viktoria Bin- der und des Robert Binder gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2023 Widerspruch ein und beantragte Akteneinsicht.
Mit Schreiben vom 7. November 2023 teilten die gerichtlichen Antragsteller der Antrags- gegnerin mit, dass sie nun betreffend den Ablehnungsbescheid vom 2. Oktober 2023 - 8E635264/23 als Antragsteller anzusehen seien anstatt der Viktoria Binder und des Ro- bert Binder. Die Umstellung des Antrags auf die neuen Antragsteller sei auf Grund der der Dispositionsbefugnis eines Antragstellers wie jede Antragsänderung zulässig. Falls die Antragsgegnerin anderer Auffassung sei, solle sie das Schreiben als Neuantrag be- handeln.
Bereits mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Oktober 2023, bei Gericht einge- gangen am gleichen Tag, haben die Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Wiesba- den um Eilrechtsschutz nachgesucht.
Sie führen zur Begründung insbesondere aus, dass der Antrag zulässig sei. Die An- tragsteller zu 3.-9. seien antragsbefugt. Es sei anerkannt, dass Sondereigentümer ein Abwehrrecht gegen Beeinträchtigungen hätten, die ihr Sondereigentum beträfen. Zu diesen Beeinträchtigungen zählten insbesondere die von den Antragstellern zu 3.-9. geltend gemachten Lärmimmissionen. Ein Rechtschutzbedürfnis bestehe auch, wenn kein vorheriger Antrag gestellt worden sei. Der ablehnende Bescheid vom 2. Oktober 2023 betreffe das Grundstück der Antragstellerin zu 1. Die Antragsgegnerin habe durch ihr Verhalten in gerichtlichen Verfahren deutlich gemacht, dass auch ein Antrag der üb- rigen Antragsteller abgelehnt worden wäre. Die Antragsteller hätten mit Schreiben vom 7. November 2023 den abgelehnten Antrag übernommen bzw. neu gestellt.
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Ein Anordnungsgrund sei darin erkennbar, dass durch den angekündigten Vollzug der Nutzungsänderung ab November 2023 Rechte der Antragsteller vereitelt würden. Die Gebietsverträglichkeit gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO und das den Lärmschutz um- fassende Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO seien im Baugeneh- migungsverfahren zu prüfende Genehmigungsvoraussetzungen, die nachbarschützend seien. Eine Geltendmachung dieser Rechte könne nicht erfolgen, wenn eine Genehmi- gung erst nachträglich beantragt und erteilt und die Nutzung bis dahin nicht untersagt werde.
Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls vor.
Das Vorhaben sei nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gebietsunverträglich, da die Unter- bringung in einer Flüchtlingsunterkunft kein Wohnen darstelle. Dabei müsse eine einzel- fallbezogene Betrachtung erfolgen, die lediglich von einer typischen Geräuschkulisse ausgehen dürfe. Es komme zu der vorhandenen Flüchtlingsunterkunft eine weitere hin- zu, direkt angrenzend an die rückwärtigen Ruhebereiche der vorhandenen Wohngebäu- de. Im Hinblick auf die Lage und den Umfang sei das Vorhaben nicht mehr wohnge- bietsverträglich. Dies gelte bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise, erst recht für zwei Flüchtlingsunterkünfte mit über 410 Flüchtlingen direkt angrenzend an den rückwärtigen Ruhebereich der Antragsteller. Die von der Antragsgegnerin und der Bei- geladenen zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da das dortige Vorhaben ent- weder auf einem anderen Nutzungsbereich des Plangebiets gelegen sei oder, im glei- chen Nutzungsbereich, nur bei einer Unterkunft mit 220 Flüchtlingen bejaht worden sei. Es komme zu einer „Schulhof-Situation“, die in einem Wohngebiet erst Recht unzumut- bar sei.
Darüber hinaus sei das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verletzt. Es existiere zwar kein absoluter Genehmigungsverfahrensanspruch. Es sei aber anerkannt und komme in § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zum Aus- druck, dass, wenn das Verfahrensrecht der Durchsetzung materieller Rechte diene, eine Verletzung von Verfahrensrechten zu einer Verletzung der eigenen Rechte führen kön-
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ne. Die Antragsteller verweisen außerdem insbesondere auf das Urteil des Bundesver- waltungsgerichts vom 26. September 2001 – 9 A 3.01 (juris). Dieses sei auf den vorlie- genden Fall übertragbar, sodass den Antragstellern keine Nachteile daraus erwachsen dürften, dass das Genehmigungsverfahren rechtswidrig unterblieben sei. Ein „Erlass“ der Obersten Bauaufsichtsbehörde könne daran nichts ändern, die polizeirechtliche Ge- neralklausel sei weder anwendbar noch seien deren Voraussetzungen erfüllt.
Darüber hinaus wäre die Einholung eines Lärmgutachtens erforderlich gewesen, wenn der Beigeladene einen Bauantrag gestellt hätte. Ohne Lärmgutachten lasse sich nicht feststellen, ob Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete eingehalten worden würden. Es sei am Tag bis in die Nacht ein Geräuschpegel wie auf einem Schulhof zu erwarten. Die Immissionen seien keine typischen, grundsätzlich in einem Wohngebiet hinzunehmenden Wohngeräusche, da eine Unterkunft kein Wohngebäude sei und des- halb auch davon ausgehende Immissionen keine typischen Wohngeräusche darstellten. Außerdem seien die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbeson- dere die schon vorhandene Unterkunft, die vorgesehene Kapazität von 350 Personen, der Hoffläche als einzig möglichem Aufenthaltsbereich im Freien und der Lage der Im- missionsorte in einer Entfernung von 10 m bis 15 m. Das Maß des Zumutbaren werde dabei durch die Richtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) bestimmt, auch wenn die TA Lärm nicht für Anlagen sozialer Zwecke gelte. Deren Richtwerte müssten eingehalten werden. Durch die vorhandene Vorbelastung müssten die Richtwerte der Zusatzbelastung des streitgegenständlichen Vorhabens um 6 dB(A) unterschritten werden. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm und deren „Dezibel-Skala“ seien wertneutral. Die bisherige Nutzung sei mit der geplanten nicht vergleichbar: Büro- arbeit verursache keinen Lärm, nach 16.00 Uhr herrsche Totenstille. Eine schematische Anwendung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm verbiete sich, es könne eine ergän- zende Sonderprüfung nach Nr. 3.2.2 der TA Lärm geboten sein. Bei einer solchen Son- derprüfung sei zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Geräuschcharakteristiken ver- schiedener gemeinsam einwirkender Anlagen nicht vorlägen, dass keine Einschränkun- gen der zeitlichen Nutzungen und auch keine besondere Standortbindung vorliegend geben sei, dass eine Verbesserung der Emissions- und Immissionssituation nicht er-
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sichtlich sei und dass keine besonderen Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit vorlägen. Es könne lediglich die soziale Adäquanz Berücksichtigung finden. Dabei sei jedoch zu beachten, dass es nicht ausreiche, dass Geräusche auf ein menschliches Verhalten zurückzuführen seien. Auf Grund der hohen Anzahl der Bewohner und nur wohnähnli- chen Nutzung sei eine Sozialadäquanz schon fraglich, da eine Wohnnutzung typischer- weise geräuscharm sei. Jedenfalls könne dies lediglich bei Gebäudenutzung gelten, nicht jedoch für die Freiflächennutzung. Eine Baugenehmigung ohne Auflagen zur Ein- schränkung der Nutzung der Freiflächen, durch die sichergestellt werde, dass die Im- missionsrichtwerte eingehalten werden, müsse wegen fehlender Bestimmtheit aufgeho- ben werden. Daraus lasse sich schließen, dass erst recht für eine ungenehmigte und daher keinen rechtlichen Einschränkungen unterliegende Nutzung untersagt werden müsse, wenn eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots nicht ausgeschlossen werden könne.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die Nutzung der Liegenschaft Lessingstraße 16-18 in Wiesbaden (Gemarkung Wiesbaden, Flur 41, Flurstücke 154/1, 154/2 und 154/3) als Flüchtlingsunterkunft vorläufig bis zur Erteilung einer entsprechenden Nutzungsänderungsgenehmigung durch sofort vollziehbare Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber der Stadtentwicklungs- gesellschaft Wiesbaden GmbH zu untersagen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist sie auf die Begründung des Bescheides vom 2. Oktober 2023 und ergänzt im Wesentlichen, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Die Antragsteller seien der Antragsgegnerin gegenüber bisher nicht in Erscheinung getreten, nur der Ge- sellschafter Robert Binder der Antragstellerin zu 1. Dieser habe aber nicht als Gesell-
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schafter der GbR getan, sondern für sich und seine Ehefrau. Soweit die Antragsteller seinen Antrag „übernehmen“ wollten, sei dies nicht von der Dispositionsbefugnis eines Antragstellers nach § 22 HVwVfG umfasst. Die bisherigen Antragsteller hätten auch kei- ne Einwilligung erteilt. Die Antragsgegnerin werte den Antrag vom 7. November 2023 als Neuantrag.
Eine Unverträglichkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO liege nicht vor. Die von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung sei für ein bestimmtes Sondergebiet nach ham- burgischen Recht ergangen. Bei der Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete handele es sich um eine im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässige Nutzung. Ein Verstoß ge- gen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO wegen des Umfangs der geplanten Einrichtung oder der zu erwartenden Belästigungen oder Störungen sei nicht zu erwarten. Zu anderen Unterkünften mit gleicher oder auch höherer Kapazität sei gerichtlich bereits entschie- den worden, dass diese in allgemeinen Wohngebieten zulässig seien. Die zu erwarten- den Geräuschimmissionen seien für diesen Gebietstyp typisch und hinzunehmen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Bewohner an die Grundregeln des Zusammenlebens hielten. Reine Vermutungen in Bezug auf das Gegenteil reichten nicht aus, um ein Tä- tigwerden der Behörde zu begründen. Der Standort, der bislang als Standort des Regie- rungspräsidiums Darmstadt genutzt worden sei, habe auch eine beträchtliche Anzahl an Mitarbeitern und Besucherverkehr aufgewiesen; eine Zunahme sei nicht zu erwarten. Eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm sei durch die Antragsteller nicht belegt. Die TA Lärm sei im Übrigen nicht auf Anlagen für soziale Zwecke anwend- bar. Umwelteinwirkungen aus Anlagen für soziale Zwecke gehörten zum menschlichen Zusammenleben und seien daher weitergehend als bei anderen Verursachern zumut- bar. Es werde durch die Antragsteller nicht genügend unterschieden zwischen klassi- schen Konstellationen der Konfliktlagen zwischen schutzbedürftiger Wohnnutzung und heranrückender emittierender Nutzung gewerblicher oder industrieller Prägung und dem hiesigen Sachverhalt, in dem auch die Sozialadäquanz der betreffenden Immissionen zu berücksichtigen sei.
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In Bezug auf das Fehlen einer Baugenehmigung bestehe kein allgemeiner Gesetzes- vollziehungsanspruch des Nachbarn; das formelle Bauordnungsrecht sei nicht nach- barschützend. Die zitierte Rechtsprechung des BVerwG sei nicht geeignet, die gegentei- lige Rechtsaufassung zu stützen. In dem zitierten Verfahren sei es darum gegangen, dass anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Das BVerwG habe einen Anspruch jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnis für un- zulässig erklärt. Eine Rechtsschutzverkürzung oder drohende Nachteile durch das Feh- len einer Baugenehmigung seien nicht zu befürchten.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie wiederholt und vertieft das Vorbringen der Antragsgegnerin. Ergänzend führt sie im Wesentlichen aus, dass der Antrag schon unzulässig sei. Keiner der Antragsteller habe einen vorherigen Antrag bei der Behörde gestellt. Die behördlichen Antragsteller seien nicht für die Antragstellerin zu 1. tätig geworden. Darüber hinaus bestehe für die An- tragsteller zu 3.-9. keine Antragsbefugnis. Den einzelnen Wohnungseigentümern sei aufgrund der im Bauplanungsrecht gebotenen grundstücksbezogenen Betrachtungswei- se verwehrt, sich auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu berufen, so- weit es um das Gesamtgrundstück gehe, was hier der Fall sei. Ein Verstoß gegen Rech- te, die im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzelten, könnten nur von der Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht von einzelnen Sondereigen- tümern geltend gemacht werden. Ein Anordnungsanspruch bestehe auch nicht. Das Vorhaben in dem festgesetzten allgemeinen Wohngebiet sei gebietsverträglich. Ein be- achtliches Störpotenzial sei nicht zu erwarten. Bei einer Flüchtlingsunterkunft handele es sich zwar nicht um eine Wohnnutzung, sie sei aber dem Wohnen gleichwohl ähnlich. Zwar würden sich die Bewohner der Unterkunft auf dem Gelände der Vorhabengrund- stücke aufhalten. Nennenswerter Publikumsverkehr bestehe bei einer Flüchtlingsunter- kunft jedoch grundsätzlich nicht. Insbesondere sei auch nicht zu erwarten, dass die Wohnruhe der näheren Umgebung durch verstärkten Zu- und Abgangsverkehr mit Kraft- fahrzeugen gestört wird; da Geflüchtete in der Regel keine eigenen Kraftfahrzeuge be- säßen. Soweit es gegebenenfalls zu Konflikten innerhalb der Flüchtlingsunterkunft
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kommen sollte, so sei solchen Störungen im Einzelfall mit den Mitteln des Ordnungs- oder Polizeirechts oder des zivilen Nachbarrechts zu begegnen. Ein Milieuschutz beste- he nicht und die Lösung sozialer Konflikte sei keine Aufgabe des Baurechts.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor. Eine fehlende Baugeneh- migung sei nicht dazu geeignet, eine Verletzung desselben zu begründen. Reinen Ver- fahrensverletzungen komme kein Drittschutz zu, da sie allein im öffentlichen Interesse bestünden. Darüber hinaus sei die TA Lärm nicht anwendbar. Die Schallimmissionen seien zumutbar, Störungen seien nur insoweit zu berücksichtigen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung aufträten und von bodenrechtlicher Relevanz seien. Die von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung sei so zu verstehen, dass von Flüchtlingsunterkünften typischerweise ausgehende Lärmemissionen typische Wohnge- räusche darstellten und keiner Immissionsprognose bedürften. Warum sich aus den Umständen des Einzelfalls etwas Anderes ergeben solle, sei durch die Antragsteller nicht dargelegt. Die Immissionsrichtwerte der TA Lärm und die dortige „Dezibel-Skala“ seien keinesfalls „wertneutral“. Sie kennzeichneten nicht ein allgemeines Maß der Zu- mutbarkeit für jegliche Schallimmissionen. Ein allgemeines Maß existiere nicht, sondern sei vielmehr vom Einzelfall abhängig und auch davon, ob es sich um solche Immissio- nen handele, die dem Regelungsbereich der TA Lärm unterfielen und im weitesten Sin- ne typisch „gewerblich“ seien, oder ob es sich zum Beispiel um verhaltensbedingten Lärm handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Akten der Antragsgegnerin (Bebauungsplan Östlich der Mainzer Straße und der Pauli- nenstraße, Akte DG 634901/23, Akte BE 635609/23, Bauüberwachungsakte BE 635263/23, Bauüberwachungsakte BE 635264/23, Widerspruchsakte WS 635673/23, Hausakte 77130, Hausakte 77822) verwiesen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag ist zulässig
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II.
Die Antragsteller zu 3.-8. sind antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO. Dies ist bei Wohnungseigentümern einer Wohnungseigentümergemeinschaft dann der Fall, wenn der Behörde bei ihrer Entscheidung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 – 4 B 92/92 –, juris). Teilweise wird darüber hinaus gefordert, dass dem Sondereigentümer Beeinträchtigungen drohen, die über die der Gemeinschaft generell drohenden hinaus- gehen (Bay. VGH, Beschluss vom 8. Juli 2013 – 2 CS 13.807 –, juris hinsichtlich der Geltendmachung des Gebietserhaltungsanspruchs). Diese Voraussetzungen liegen vor. Es nicht auszuschließen, dass den Antragstellern zu 3.-.8 durch ihre rückwärtigen, zum Vorhaben hin ausgerichteten Ruheräume größere Beeinträchtigungen drohen als mögli- cherweise anderen Antragstellern. Der Antragsgegnerin ist dabei auch in ihrer Entschei- dung der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen. Ei- nerseits ist bei den Antragstelllern zu 3.-8. nicht auszuschließen, dass gerade ihr Son- dereigentum mit den rückwärtigen Ruheräumen besonders betroffen sind. Außerdem ist in den nachbarschützenden Vorschriften auch das Interesse der einzelnen Sonderei- gentümer zu berücksichtigen.
Die Antragsteller haben auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
Die gerichtliche Geltendmachung von Auskunftsansprüchen setzt grundsätzlich voraus, dass ein Antragsteller sein Auskunftsbegehren zuvor bei der auskunftspflichtigen Stelle geltend gemacht hat. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und der Voraussetzung des Bedürfnisses, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, ist es erforder- lich, dass sich ein Antragsteller zuvor an die betreffende Behörde wendet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 – 6 VR 1/17 –, juris Rn. 9). Eine Ausnahme hiervon ist
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nur in dem Fall zulässig, wenn ausreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die zuständige Behörde seinem Begehren entweder nicht oder nicht innerhalb der Zeitspanne entsprochen hätte, nach deren Ablauf dem Rechtsschutzsuchenden diejeni- gen Nachteile drohen, die mit der beantragten einstweiligen Anordnung abgewehrt wer- den sollen (Bay. VGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 – 22 CE 17.2260 –, juris Rn. 74).
Gemessen hieran ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
Die Antragssteller zu 2.-9. sind vor Stellung des Eilantrags zwar nicht bei der Antrags- gegnerin vorstellig geworden.
Soweit die Antragsteller. darauf verweisen, dass sie mit Schreiben vom 7. November 2023 das Verfahren der behördlichen Antragsteller übernommen hätten, so greift dies nicht. Denn einerseits ist der Antrag nicht übertragbar. Die Regelungen der Rechtsnach- folge finden schon keine Anwendung, da die Antragsteller zu 1.-9. keine Rechtsnachfol- ger der behördlichen Antragsteller darstellen. Auch eine analoge Heranziehung der Re- gelungen der Rechtsnachfolge kommt hier nicht in Betracht. Es liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor. Anders als bei der Rechtsnachfolge wurden bei zwischen behördlichen Antragstellern und den gerichtlichen Antragstellern keine dahinterstehenden, materiellen Rechte übertragen. Die Stellung als Antragsteller nach § 13 HVwVfG knüpft vorrangig nicht an den dahinter Rechte an, sondern an der formellen Stellung als derjenige („ge- borener“ Beteiligter) der den Antrag gestellt hat (zum inhaltgleichen VwVfG des Bundes: Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 13 Rn. 12). Auf der anderen Seite müssten, selbst wenn man eine solche Figur anerkennen würde, die bisherigen behördlichen Antragsteller ihre Zustimmung erteilen. Von einer solchen ist dem Gericht nichts bekannt.
Soweit man jedoch den Antrag vom 7. November 2023 als neuen Antrag auffasst, spricht allerdings vieles dafür, dass dem Erfordernis der behördlichen Erstbefassung genüge getan wurde. Die Fragestellung, ob ein behördlicher Antrag nach der Inan- spruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes, ausreichend ist, ist auch innerhalb des BVerwG nicht unumstritten (BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 – 7 C 5/10 –, Rn. 38 ju-
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ris). Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BVerwG (BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 – 6 VR 1/18 –, Rn. 10 juris) knüpft das Prozessrecht, wenn die Behörde die Möglichkeit hat, zumindest nachträglich eine eigene Entscheidung zu treffen, keine Sanktion in Form einer Unzulässigkeit des Antrags. Vielmehr setzt sich ein Verfahrens- beteiligter, der so frühzeitig gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nimmt und eine behördliche Entscheidung nur im Nachhinein ermöglicht, dem Kostenrisiko nach § 156 VwGO aus. Im hier zu entscheidenden Fall ist in Rechnung zu stellen, dass die An- tragsgegnerin seit dem (Neu-)Antrag vom 7. November 2023 knapp zwei Wochen Zeit hatte, über diesen zu entscheiden. Den Antragstellern kann vor diesem Hintergrund je- denfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgeworfen werden, sie hät- ten vor- bzw. außergerichtliche Möglichkeiten, den Schutz ihrer Rechtsgüter zu erlan- gen, nicht in Anspruch genommen.
Jedoch bleibt der Antrag in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis fällen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzun- gen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Durch die Entscheidung im hiesigen Verfahren soll eine, zum jetzigen Zeitpunkt schon geplante aber nach Kenntnis des Gerichts noch nicht umgesetzte, Innutzungnahme ver- hindert werden. Durch eine Entscheidung in dieser Sache wird für den Zeitraum bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache diese vorweggenommen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine solche Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist,
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die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten er- kennbar Erfolg haben wird (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten in der Haupt- sache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu be- seitigende Nachteile zur Folge hätte (Anordnungsgrund). Dabei ist dem jeweils betroffe- nen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmswei- se überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen (OVG Nordrhein-Westfalen, Be- schluss vom 14. November 2016 – 1 B 943/16 –, juris Rn. 5 f. m. w. N.). Die Nutzungs- untersag, die die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest teilweise vorweg- nehmen, kommen nur ausnahmsweise aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz [GG]) in Betracht, nämlich dann, wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schlechthin unzumutbar wäre, weil ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10. Dezember 2021 – 5 MC 157/21 –, juris Rn. 8 m. w. N.).
Gemessen an den erhöhten Anforderungen im Fall der Vorwegnahme der Hauptsache fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf ein Einschreiten der Antragsgegnerin ge- mäß § 82 Abs. 1 Satz 2 HBO glaubhaft machen können. Die Voraussetzung für das Vorliegen eines solchen Anspruchs ist die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Norm, die gerade (zumindest auch) dem Schutz des Nachbarn dienen soll (Hessischer VGH, Beschluss vom 01.08.1991 - 4 TH 1244/91, NVwZ 1993, 491). Eine Verletzung solcher drittschützenden Vorschriften ist schon nicht ersichtlich. Ebenso wenig haben die An- tragsteller glaubhaft gemacht, dass das behördliche Ermessen auf Null reduziert wäre.
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Die Antragsteller können sich nicht auf das Fehlen einer Baugenehmigung und die for- melle Illegalität des Vorhabens berufen. Bei der Pflicht zur Einholung einer Baugeneh- migung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 HBO handelt es sich nicht um eine Vorschrift, die ein subjektives öffentliches Recht in dem Sinne begründet, dass dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene und selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewährt wird.
Sinn und Zweck der baurechtlichen Regelung zum Genehmigungserfordernis ist es, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in einem formellen Verfahren sicherzu- stellen. Die Pflicht, ein Vorhaben vor seiner Verwirklichung bauaufsichtsbehördlich überprüfen zu lassen, besteht allein im öffentlichen Interesse an einer präventiven Kon- trolle; dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass im Baugenehmigungsverfahren auch solche Gesichtspunkte zu prüfen sind, die (nicht nur im öffentlichen, sondern zu- gleich) im nachbarlichen Interesse liegen (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 10. Februar 2003 – 1 LA 52/02 –, juris Rn. 14). Ein Nachbar hat lediglich Anspruch darauf, dass seine materiellen Belange bei der Verwirklichung des Vorhabens berücksichtigt werden. Im Falle einer Verletzung (materieller) nachbarschützender Vorschriften sind die Baunachbarn darauf zu verweisen, dies im Rahmen eines Antrages auf bauauf- sichtsbehördliches Einschreiten geltend zu machen. Auf Grund dessen können die An- tragsteller auch nicht mit ihrem Verweis auf § 46 VwVfG durchdringen, da eine Verlet- zung der materiellen Rechte vollumfänglich durch das Gericht überprüfbar bleibt. Au- ßerdem hat der Drittbetroffene in der Regel – so auch hier – kein Recht auf die Durch- führung des (richtigen) Verwaltungsverfahrens, sondern allein auf Schutz gegen die Ver- letzung eigener materieller Rechte (Bay. VGH, Beschluss vom 10. April 2019 – 9 ZB 15.2481 –, juris Rn. 6).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 26. September 2001 – 9 A 3/01 – juris), da die dort zugrundeliegende Fallkonstellation mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Die dortige Entscheidung betraf eine fehlerhafte Verfahrenswahl der Behörde, die durch das Unterlassen einer planeri- schen Entscheidung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens in die planerische Ab-
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wägung einzustellende Belange des Rechtsschutzsuchenden missachtet hatte und da- durch die Rechtsschutzposition des Antragstellers beeinträchtigt wird. Das Baugeneh- migungsverfahren stellt demgegenüber – jedenfalls in der vorliegenden bauplanungs- rechtlichen Situation – eine gebundene Entscheidung ohne planerischen Anteil dar und vermittelt keine vergleiche Rechtsposition der Nachbarschaft. Außerdem steht nicht zu befürchten, dass die Geltendmachung der Rechte der Antragsteller durch die fehlerhaft gewählte Verfahrensart versagt wird. Die Antragsteller können ihre drittschützende Rechte auch ohne Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vollumfänglich geltend machen.
Das Vorhaben ist – jedenfalls im Licht subjektiv-öffentlicher Rechte – voraussichtlich auch nicht materiell illegal und damit nicht genehmigungsfähig.
Ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch wurde durch die Antragsteller aus- drücklich nicht geltend gemacht und liegt auch nicht vor.
Ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch ist gegeben, wenn ein mit der Ge- bietsfestsetzung unvereinbares Vorhaben vorliegt. Der Gebietserhaltungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Bau- gebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. Der Anspruch ist eine Folge davon, dass Baugebiets- festsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelege- nen Grundstücke dienen. Die weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demsel- ben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Ei- gentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine schleichende Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen. Grundsätzlich besteht der Gebietserhaltungsanspruch nur innerhalb eines Baugebiets, da nur insoweit eine sog. bodenrechtliche Schicksalsge-
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meinschaft besteht. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch besteht nur,
wenn ein entsprechender Wille des ist.
Der Gebietserhaltungsanspruch ist in der Sache nicht verletzt, weil das Vorhaben nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 Nr. 3 Var. 3 BauNVO 1968 in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig ist. Eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge stellt eine soziale Einrichtung dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juni 1997 – 4 C 2/96 –, juris), da es mit Blick auf die für die Mehrzahl der Bewohner einer solchen Unterkunft aus § 53 AsylG folgenden Wohnverpflichtung an der für den bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens essentiellen Freiwilligkeit des Aufenthalts fehlt.
Es ist bei summarischer Prüfung auch nicht erkennbar, dass das Vorhaben nicht ge- bietsverträglich wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge- fährdet ein im allgemeinen Wohngebiet regelhaft zulässiges Vorhaben (§ 4 Abs. 2 BauNVO) den Gebietscharakter und ist gebietsunverträglich, wenn das Vorhaben – be- zogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets – auf Grund seiner typi- schen Nutzungsweise störend wirkt. Ausgangspunkt und Gegenstand dieser typisieren- den Betrachtungsweise ist das jeweils zur Genehmigung gestellte Vorhaben. Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Gegenstand der Betrachtung sind die Auswirkungen, die typi- scherweise von einem Vorhaben der beabsichtigten Art ausgehen (BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2008 – 4 B 60/07 –, juris Rn. 11 m.w.N.).
Das allgemeine Wohngebiet dient gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO „vorwiegend dem Woh- nen“. Es soll nach Möglichkeit – mit Ausnahme der verbrauchernahen Versorgung (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) – ein ungestörtes Wohnen gewährleisten, wobei das dem Wohngebiet immanente „Ruhebedürfnis“ nicht gleichbedeutend mit einer immissions- schutzrechtlich relevanten Lärmsituation ist. Es geht um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 – 4 C 1/02 –, juris Rn. 17). Eine Flüchtlingsunterkunft mit knapp 350 Plätzen wirkt bei summa-
Plangebers
erkennbar
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rischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht generell störend in einem allgemeinen Wohngebiet. Die zu erwartenden Störungen sind solche, die auch ansonsten in allge- meinen Wohngebieten üblich sind. In diesem Zusammenhang weist die Antragsgegne- rin zutreffen darauf hin, dass die Gemeinschaftsunterkunft von den Bewohnern jeden- falls wohnähnlich und mit den damit typischerweise verbundenen Aktivitäten genutzt werden wird. Die Unterhaltungen zwischen Personen, soweit sie außerhalb der Gebäu- de der Flüchtlingsunterkunft erfolgen, finden auch ansonsten in allgemeinen Wohnge- bieten statt, insbesondere beispielsweise vor Mehrfamilienhäusern mit vielen Wohnein- heiten. Das zu erwartende Verkehrsaufkommen einer solchen Einrichtung ist ebenfalls nicht generell geeignet, sich störend auszuwirken. Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Bewohner in der Regel selbst über keine eigenen Fahr- zeuge verfügen. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass dies aufgrund der Einschränkungen, denen Asylbewerber bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterliegen, jedenfalls nicht regelhaft für alle oder die Mehrzahl der Bewohner der Un- terkunft mit beruflich zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugen sein wird.
Eine Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO wurde durch die Antragsteller eben- falls nicht glaubhaft gemacht. Diese Norm bezweckt die einzelfallbezogene „Feinab- stimmung”, indem die Regelung Anlagen, die nach der „Grobabstimmung” der §§ 2 bis 14 BauNVO zulässig wären, für nicht genehmigungsfähig erklärt, wenn sie im Einzelfall nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets wi- dersprechen. Diese Vorschrift macht daher, obwohl auch sie der Aufrechterhaltung der jeweiligen gebietstypischen Prägung dient, eine typisierende Betrachtung bei der Beur- teilung der generellen Zulässigkeit eines Vorhabens nicht überflüssig (BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 C 7/92 –, juris Rn. 14).
Der geplante Umfang der Unterkunft widerspricht nicht der Eigenart des Wohngebietes. Die Eigenart bestimmt sich dabei aus der abstrakten Gebietsfestsetzung einerseits und anderseits aber auch konkret aus sonstigen Festsetzungen im Bebauungsplan, die ei- nen besonderen planerischen Gestaltungswillen erkennen lassen (BeckOK BauN-
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VO/Henkel BauNVO § 15 Rn. 18). Aus den sonstigen Festsetzungen des Bebauungs- plans ist jedoch kein besonderer planerischer Gestaltungswille ersichtlich.
Es besteht auch kein Widerspruch zur abstrakten Gebietsfestsetzung, da nach § 4 Abs. 1 BauNVO 1968 allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen dienen. Durch den erheblichen Umfang der Unterkunft wird die Eigenart des allgemeinen Wohngebietes nicht verletzt. Auch unter Einbeziehung der unmittelbar angrenzenden weiteren Gemeinschaftsunterkunft mit weiteren 60 Plätzen führt das streitgegenständli- che Vorhaben nicht zu einem „Kippen“ des Gebietscharakters. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass fast in dem gesamten westlichen Teil des Bebauungsplans „Öst- lich der Mainzer Straße und Paulinenstraße“ ein allgemeines Wohngebiet oder zumin- dest mehrere aneinandergrenzende und aufeinander bezogene allgemeine Wohngebie- te (s.o.) ausgewiesen sind, wo zwischen drei bis sieben Vollgeschosse allgemein zuläs- sig sind. Selbst in der unmittelbaren Nachbarschaft gibt es ausweislich von googlemaps (Streetview) kaum Einfamilienhäuser, sondern überwiegend – durchaus auch größere (z.B. Viktoriastraße 8 und 8d, Augustastraße 13 bis 17) – Mehrfamilienhäuser. Das Wohnen wird daher die Nutzung für soziale Zwecke trotz der Größe der geplanten Un- terkunft, auch neben der bestehenden Unterkunft, weiterhin deutlich überwiegen. Zum anderen weist die Antragsgegnerin – wie bereits ausgeführt – zutreffen darauf hin, dass die Gemeinschaftsunterkunft von den Bewohnern jedenfalls wohnähnlich und mit den damit typischerweise verbundenen Aktivitäten genutzt werden wird. Es ist nicht ersicht- lich, warum diese Form der wohnähnlichen Nutzung derjenigen widersprechen soll, die bisher auf dem Gebiet üblich ist. Von den in der näheren Umgebung vorhandenen grö- ßeren Mehrfamilienhäuser gehen ebenfalls Belastungen aus, die die Eigenart des Bau- gebiets mitbestimmen. Hinsichtlich des möglicherweise zu erwartenden höheren Kraft- fahrzeugverkehrs ist nicht ersichtlich, warum hier eine erhebliche Mehrbelastung im Vergleich zu anderen größeren Mehrfamilienhäusern auftreten sollte, bei denen auch ein gewisser Kraftfahrzeugverkehr der Bewohner anzunehmen ist. Auch hinsichtlich der Mitarbeiter der Unterkunft ist bei typisierender Betrachtungsweise kein einem Wohnge- biet nicht angemessenes Fahrzeugaufkommen zu erwarten. Nach dem Nutzungskon- zept (Bl. 22 des Verwaltungsvorgangs DG 634901/23) soll rund um die Uhr lediglich ein
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Hausmeisterteam von mindestens zwei Personen anwesend sein. Hinzukommen dürfte noch eine geringe Anzahl von Sozialarbeitern tagsüber. Insoweit ist auch darauf hinzu- weisen, dass nach dem im denkmalschutzrechtlichen Verfahren vorgelegten Freiflä- chenplan (vgl. Bl. 23 des Verwaltungsvorgangs DG 634901/23, sowie – in einem größe- ren Format – Bl. 111 des Verwaltungsvorgangs BE 635609/23) die aus der vorgehen- den Nutzung als Bürogebäude noch vorhandenen Parkplätze offenbar erhalten werden sollen, sodass ein übermäßiger Parksuchverkehr nicht zu erwarten steht. Auch eine „Schulhof-Situation“ ist fernliegend. Es ist kaum davon auszugehen, dass sich sämtliche Bewohner dauerhaft gleichzeitig auf dem Innenhof des Vorhabengrundstücks befinden werden. Denn einerseits lädt der Innenhof, auf dem sich überwiegend auch weiterhin Parkplätze befinden werden, nicht zum Verweilen ein und befinden sich zudem in der Nähe große Grünanlagen. Auf der anderen Seite sind die Bewohner auch nicht wie Schüler verpflichtet, zu bestimmten Zeiten den Innenhof aufzusuchen, sodass mit einer zeitlichen Verteilung zu rechnen ist. Außerdem ist nicht plausibel, warum mit einer so hohen Lautstärke wie auf einem Schulhof zu rechnen ist, da zwar auch Kinder zu den Bewohnern zählen dürften, jedoch nicht ausschließlich oder größtenteils und auch nicht zu Nachtzeiten, wie die Antragsteller befürchten.
An dieser Einschätzung ändert auch nichts, soweit die Antragsteller geltend machen, durch die räumliche Situation seien besonders umfangreiche Belästigungen zu erwar- ten. Selbst wenn die Wohnungsinhaber der Gebäude auf den streitgegenständlichen Grundstücken – teilweise – ihre Ruhe- und Rückzugsräume auf der dem Innenhof zu- gewandten Seite in einigen Metern Entfernung, die genauen Abstände wurden durch die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, haben, steht das Vorhaben dennoch nicht im Wi- derspruch zur Eigenart des allgemeinen Wohngebietes. Bebauungsabstände im inner- städtischen Bereich von einigen Metern auch im rückwärtigen Teil von Wohngebäuden sind ausweislich von googlemaps auch im vorliegenden Plangebiet üblich. Dies betrifft insbesondere die Blockinnenbebauung des hier betroffenen Straßengevierts Lessing- straße/Viktoriastraße/Augustastraße/Martinstraße, wo sich auch bereits mehrere Mehr- familienhäuser befinden. Auch hier werden Belästigungen und Störungen durch Nach- barn auf die rückwärtigen Bereiche der Gebäude einwirken.
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Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO wurde durch die Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Gebot der Rücksichtnahme sind solche Vorhaben unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Maßgebend sind unter an- derem Art und Ausmaß der schutzwürdigen Stellung der von dem Rücksichtnahmege- bot begünstigten Person. Deren Schutzbedürfnis ist gegen die schutzwürdigen Interes- sen des Bauherrn mit der Fragestellung abzuwägen, was dem einen und dem anderen nach Lage der Dinge – billigerweise – „zuzumuten” ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 – 4 C 59/79 –, juris Rn. 14).
Wenn die Antragsteller in Bezug auf die Größe der Gemeinschaftsunterkunft darauf ab- stellen, dass es auf Grund der konkreten baulichen Gegebenheiten zu erheblichen Stö- rungen kommen wird, die unzumutbar seien, so ist einerseits darauf hinzuweisen, dass sich keine Balkone an dem Vorhabengebäude befinden und ein Innenhof zwischen den Gebäuden A und B vorhanden ist. Darüber hinaus zeigt das Vorhaben einen größeren Aufenthaltsraum für die Bewohner im 3. Obergeschoss auf. Es erscheint jedoch lebens- fremd, dass sich der Großteil der Bewohner vorrangig in direkter Nähe zu den Grund- stücken der Antragsteller an den Straßen oder auf dem Innenhof aufhalten werden. Viel naheliegender ist es jedoch anzunehmen, dass sich die Bewohner auf den nahegelege- nen und fußläufig erreichbaren Grünflächen mit Aufenthalts- und Sitzmöglichkeiten auf- halten werden. In diesem Fall sind Belästigungen für die Antragsteller kaum zu erwar- ten.
Darüber hinaus ist auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass auch von wesentlich größeren Einrichtungen mit über 700 Bewohner nicht allein auf- grund der Bewohnerzahl unzumutbaren Störungen ausgehen (Hamburgisches Ober- verwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Mai 2016 – 2 Bs 38/16 –, juris Rn. 26 f.). Warum
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im vorliegenden Fall ein wesentlicher Unterschied gegenüber dieser Bewertung erfolgen sollte, ist nicht glaubhaft gemacht. Die Überlegungen des Hamburgischen Oberverwal- tungsgerichts zu einer in einem Sondergebiet gelegenen Flüchtlingsunterkunft lassen sich auf ein allgemeines Wohngebiet ohne Weiteres übertragen.
Soweit die Antragsteller eine lärmtechnische Untersuchung fordern, die sie im Übrigen nicht vorgelegt haben, so können sie auch hiermit nicht durchdringen. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme dadurch, dass möglicherweise ohne eine schalltechni- sche Untersuchung nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass das Bauvorhaben bei voller Ausnutzung der Baugenehmigung die (in einer Baugenehmi- gung oder der TA Lärm) festgesetzten Immissionsrichtwerte auch einhalten kann, wurde nicht glaubhaft gemacht. Die TA Lärm ist nach Ziff.1.h) TA Lärm nicht auf soziale Ein- richtungen anwendbar. Darüber hinaus machen die Antragsteller nicht glaubhaft, warum bei der wohnähnlichen Nutzung Verletzungen von Immissionsrichtwerten erfolgen soll- ten. In der von den Antragstellern zitierten Rechtsprechung heißt es lediglich, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Heranziehung der TA Lärm zwar möglich ist, aber nur eine Orientierungshilfe bzw. einen „groben Anhalt“ liefern kann (BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, juris Rn. 8). Wie bereits zu- vor aufgezeigt, wurden schon Unterkünfte mit einer doppelt so hohen Maximalbelegung als wohnverträglich angesehen. Zusätzlich wird eine Unzumutbarkeit des Vorhabens wegen Lärmimmissionen gerade auch deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil nicht allein schon aus der Art der Nutzung und der Bewohneranzahl die Überschreitung eines Grenzwertes naheliegt. Eine von den Antragstellern befürchtete „Schulhof-Situation“ ist, wie dargelegt, nicht zu erwarten.
Soweit die Antragsteller auf das als Anlage K8 übermittelte Urteil des Verwaltungsge- richts Koblenz (Urteil vom 24. Januar 2020, Az.: 1 K 327/19.KO) abstellen, können sie damit nicht durchdringen, denn die dort in Befürchtung stehenden Immissionen sind sol- che, die von regelmäßigen größeren Feierlichkeiten in einem Gemeindehaus ausgehen, wie z.B. von Vereinsfeiern, Hochzeiten, Familienfeiern und Geburtstagen. Es steht je- doch nicht zu erwarten, dass in der Flüchtlingsunterkunft regelmäßig derartige Veran-
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staltungen durchgeführt werden, da hierfür schon nicht die räumlichen Kapazitäten in den Bewohnerzimmern oder den Gemeinschaftsräumen bestehen. Allenfalls sind Feiern im kleineren Rahmen, wie sie bei jedem anderen Mehrfamilienhaus in einem allgemei- nen Wohngebiet stattfinden dürften, zu erwarten.
Unabhängig davon könnte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann Erfolg haben, wenn das der Antragsgegnerin gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 HBO ein- geräumte Ermessen auf Null reduziert wäre. Das ist nicht der Fall. Steht dem Antrags- gegner - wie hier - ein Ermessensspielraum zu, hat dies in der Regel zur Folge, dass das Gericht nur in Ausnahmefällen den Antragsgegner zu einem bestimmten Verhalten verpflichten kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 123 Rn. 28). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls setzt voraus, dass die sonst zu erwartenden Nachteile für die Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wä- re. Solche unzumutbaren irreparablen Nachteile sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden, da wie bereits zuvor ausgeführt, die geplante Umnutzung jederzeit wieder be- endet werden kann und somit keine solchen Nachteile zu befürchten sind.
Ehemaliges Didier Feuerfest-Werk in Wiesbaden Biebrich